Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di publik

Dass der Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ein heftiger Wind entgegenwehen würde, war absehbar. Dass aber gleich das Grundgesetz zusammengestrichen, sozusagen entkernt werden soll, ist schon ein tolles Stück. Als Retter der Mietentreiber auf den Wohnungsmärkten ist FDP-Chef Christian Lindner vorgeprescht: Artikel 15 Grundgesetz passe nicht zur sozialen Marktwirtschaft, deswegen gehöre er abgeschafft. Nach Artikel 15 unseres Grundgesetzes können „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (...) in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“. Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, befindet Lindner, den Artikel „abzuschaffen, wäre ein Beitrag zum sozialen Frieden“. Der soziale Friede ist allerdings in Gefahr, aber nicht, weil die Anwendung eines Grundgesetz-Artikels droht, sondern weil die Profiteure überteuerter Wohnungsmärkte den Hals nicht vollkriegen können.

Die Mieten steigen vor allem in den Großstädten in geradezu groteske Höhen. Bezahlbarer Wohnraum ist kaum noch zu finden. Nicht zuletzt, weil in den zurückliegenden Jahren öffentliche Wohnungsbestände zuhauf privatisiert, an Finanzkonzerne verscherbelt worden sind. Dieses gravierende politische Vergehen gehört schnellstens korrigiert. Im Sinne des sozialen Frieden. Aber nicht mit der FDP. Auf ihrem Parteitag Ende April gab es prompt einen Dringlichkeitsantrag „für die Streichung der Sozialisierung nach Artikel 15 Grundgesetz aus der Verfassung“. Mit Mehrheit angenommen, versteht sich. Vorangetrieben werden soll nun eine entsprechende Gesetzesinitiative im Bundestag. Was steht da noch alles bevor? Wann soll auch Artikel 1 Grundgesetz gestrichen werden? „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es da. Und was bleibt jenen an Würde übrig, denen soeben das Menschenrecht auf Wohnen wegmodernisiert wurde. Das Grundgesetz – es muss verteidigt werden, zum Wohle der Allgemeinheit.