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Gibt man den Begriff "Vermögenssteuer" in einschlägige Nachrichtensuchmaschinen ein, wird schon anhand der Überschriften die Bandbreite der öffentlichen Diskussion dazu deutlich. Da ist unter Bezugnahme auf den Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, in der Frankfurter Rundschau von einer Frage der Vernunft die Rede; der Focus hingegen beschuldigt SPD und Grüne, "Sabotage an unserer Wirtschaft" zu betreiben.

ver.di fordert schon lange eine gerechtere Besteuerung von Vermögen, um auch Reiche stärker zur Finanzierung von gesellschaftlich wichtigen Aufgaben und der Daseinsvorsorge heranzuziehen. Doch zur Zeit nimmt die Debatte um die Vermögenssteuer wieder an Fahrt auf. Hintergrund sind die Milliardenkredite, die der Staat zur Krisenbewältigung aufgenommen hat. Zudem besteht ein großer Finanzbedarf für die Investitionen, die für die sozial-ökologische Transformation nötig sind.

Im Koalitionsvertrag steht jedoch nichts über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Bei diesem Thema lagen die drei Parteien schon im Wahlkampf weit auseinander. SPD und Grüne wären dafür, die FDP lehnt sie strikt ab.

Gegner*innen der Vermögenssteuer argumentieren, sie sei verfassungswidrig. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) kommt jedoch zu dem Schluss, dass eine Vermögenssteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. "Angesichts einer hohen Ungleichheit bei der Vermögensverteilung und erheblicher finanzieller Herausforderungen, denen sich die Bundesrepublik ausgesetzt sieht, ist ihre Einführung nicht nur gut begründbar, sie trüge auch zur Verwirklichung grundlegender verfassungsrechtlicher Prinzipien bei", argumentiert Alexander Thiele, Professor für Staatstheorie und Öffentliches Recht an der Business & Law School der Hochschule für Management und Recht in Berlin, in dem Gutachten. Den Bedenken, eine Vermögenssteuer sei verfassungswidrig, erteilt Thiele eine klare Absage. Die Ungleichheit habe in Deutschland ein Ausmaß erreicht, bei dem die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer eher verfassungsrechtlich geboten sei.

Unter anderem verweist er auf den aktuellen Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der HBS. Danach ist der Anteil der Armen in den zurückliegenden zehn Jahren deutlich gewachsen. Die privaten Vermögen sind hingegen im Vergleich zu anderen EU- und OECD-Ländern mit einer ähnlichen Einkommenssituation hierzulande besonders ungleich verteilt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 die damalige Vermögenssteuer für verfassungswidrig erklärt, seit 1997 wird sie nicht mehr erhoben. Allerdings richtete sich diese Entscheidung gegen die damalige Ausgestaltung der Besteuerung von Vermögen, nicht gegen eine Vermögenssteuer an sich. Im Grundgesetz sei sie hingegen "ausdrücklich als eine prinzipiell zulässige Steuerart aufgelistet". Auch das Sozialstaatsprinzip nach Artikel 20 des Grundgesetzes liefere Argumente für die Vermögensbesteuerung. Also lohnt es sich, weiter für die Wiedereinführung dieser Steuer zu kämpfen.

Das Kurzgutachten zum Download:

kurzelinks.de/vakl