Ausgabe 06/2019
Warenhäuser hart umkämpft
Kaufhof hat die Tarifbindung zu Jahresbeginn verlassen
Mitte der 70er Jahre waren sie noch Schwergewichte: Bei einem auf 2,4 Prozent geschrumpften Umsatzanteil der Warenhäuser ist davon heute keine Rede mehr. Die Häuser Horten, Hertie oder Wertheim gibt es nicht mehr. Übrig sind nach schweren Turbulenzen und hohen Jobverlusten Karstadt mit den Sparten Warenhaus, Sports und Feinkost sowie Galeria Kaufhof. Seit 2018 zusammengeschlossen, gehören sie inzwischen komplett der österreichischen Signa-Holding.
Wie ihre Zukunft aussehen soll, wird zu einer hart umkämpften Angelegenheit, die nicht nur die unmittelbar Betroffenen angeht. „Karstadt und Kaufhof sind absolut kein Auslaufmodell. Mit innovativen Konzepten, an deren Entwicklung die Beschäftigten beteiligt sein müssen, können selbst Doppel- und Mehrfachstandorte von Vorteil sein“, betont Stefanie Nutzenberger. Sie leitet bei ver.di den Fachbereich Handel, arbeitete früher bei Karstadt. „Die Innenstädte brauchen mehr denn je attraktive Warenhäuser als Kundenmagneten. Das nutzt auch den Kommunen und den kleineren Läden, die ebenfalls unter starkem Druck von Fachmärkten, Discountern und digitalem Handel stehen.“
Anders gesagt: Wo Warenhäuser schließen, werden Menschen in die Arbeitslosigkeit gestürzt. Es steigt die Gefahr verödeter Innenstädte. Das wiederum wirkt sich negativ auf kleinere Dienstleister aus. Insolvenzen, Steuerausfälle, Flauten im Tourismus und noch mehr Billigjobs mit Hartz IV-Aufstockungen belasten die öffentlichen Haushalte. So wird Lebensqualität beschnitten – und das geht weit über die Verkäufer*innen hinaus.
Der Kampf um die noch rund 180 Warenhäuser, für die man in der Chefetage jetzt dauerhafte Gehaltsabsenkungen im Sinn hat, geht alle an. Auch in ver.di sollte dies als Chance gesehen werden, die Solidarität auszubauen, meint Gerhard Löpke, Betriebsratsvorsitzender bei Karstadt Dortmund. „Viele vergessen, dass wir seit 15 Jahren in der Sanierung sind“, sagt er. „Die Beschäftigten sind die eigentlichen Investoren, wir haben über die vier Sanierungstarifverträge seit 2004 Riesensummen in das Unternehmen hineingebuttert.“
Möglichst jeden Standort erhalten, das möchte auch der Deutsche Städtetag, schließlich seien Karstadt und Kaufhof „wichtige Arbeitgeber und Versorgungszentren vor Ort“. Doch die Kundenströme verringern sich, das Internet boomt besonders bei Textil-Verkäufen. Das gibt dem Verdrängungswettbewerb der großen Händler zusätzlich Schub. Dort, wo das Management seit Jahren grobe Fehler gemacht hat und Entwicklungen verschläft, fällt das besonders auf.
Personal knapp
Schauplatz Karstadt am Berliner Ku’damm. Es ist früher Nachmittag und die Suche nach Beratung zu einer neuen Hose kostet viele Meter und Minuten. Solche Momentaufnahmen sind in den Filialen nicht selten. Die Personalknappheit arbeitet gegen das Warenhaus. Entsprechend schlecht sind die aktuellen Zahlen. Die Spitze der neuen Formation Galeria Karstadt Kaufhof, die seit kurzem zu 100 Prozent dem österreichischen Investor René Benko und seiner Signa Retail gehört, will ihren harten Sanierungskurs beschleunigen. Zusammengelegt wurden die Firmenzentralen, Läger werden geschlossen, und auch in den Filialen fällt weiter Personal weg: Seit Jahresbeginn über 2.600 Menschen.
Wie Karstadt und Kaufhof so „zu hochattraktiven Marktplätzen“ werden können, drängt sich als Frage an das Warenhaus-Management auf, vor allem weil immer mehr Fläche fremdvermietet wird.
Immobilienwirtschaft
Gegen die Tendenz, den Handel durch Immobilienwirtschaft zu überlagern, stemmen sich Betriebsräte und ver.di seit langem. „Wir kämpfen dafür, dass alle Standorte samt Belegschaften gesichert und fortgeführt werden“, sagt Orhan Akman, ver.di-Fachgruppenleiter Einzelhandel. „Konzepte, bei denen Warenhäuser in Kiosk-Größe plus Rolltreppe übrigbleiben, lehnen wir ab. Die Geschäftsführung muss endlich innovative Ideen vorlegen, statt ständig die Personalkosten nach unten zu schrauben.“
Wie die Galeria-Spitze verlauten lässt, will sie alle Verkaufskanäle nutzen und das Warenhaus „als Omni-Channel-Anbieter in der Innenstadt“ profilieren. Doch erstmal müssen Investitionen her, Visionen allein reichen nicht. „Weltmarktführer“ wollte die kanadische Hudson Bay Company (HBC) werden, als sie 2015 das profitable Metro-Unternehmen Galeria Kaufhof erwarb – 41 der 60 unternehmenseigenen Immobilien inklusive. Nur drei Jahre später hat die HBC das Unternehmen auf vielfältige Weise heruntergewirtschaftet. Laut „Wirtschaftswoche“ musste Kaufhof jährlich zu hohe Mietzahlungen von 50 Millionen Euro leisten und wurde zum Problemfall.
Ringen um Tariflöhne
Erste Sondierungen nach der Warenhaus-Fusion, ob ein zeitlich begrenzter Sanierungstarifvertrag für alle möglich ist, fanden im September statt. Die vier ver.di-Tarifkommissionen – bei Karstadt Warenhaus, Sports, Feinkost sowie Kaufhof – haben klare Ansagen gemacht: Ohne Verpflichtung des Arbeitgebers, in den Flächentarifvertrag zurückzukehren, geht gar nichts. Ein Eingriff in aktuelle Einkommen, allen voran bei Kaufhof, wird abgelehnt. Für alle vier Sparten werden Standort- und Beschäftigungssicherung sowie ein Konzept unter Beteiligung der Beschäftigten gefordert. Weitere Stichpunkte: Begrenzung der Fremdvergabe und bessere Personalausstattung.
Im Moment ist die Tarifsituation kompliziert: Kaufhof hat die Tarifbindung zu Jahresbeginn verlassen – ein Schritt, der bei Karstadt Warenhaus bereits 2013 erfolgt war. Dies wurde Ende 2016 auf Druck von ver.di revidiert. Dort gilt seither ein „Zukunftstarifvertrag“. Ab 1. April 2021 soll das volle Tarifniveau wieder erreicht sein, aktuell liegen die Entgelte mehr als 14,4 Prozent unter Branchenniveau. Auch für Karstadt Sports und Feinkost, wo die Differenz 16,9 bzw. 9,1 Prozent beträgt, sind deutliche Anhebungen dringlich.
Sollte es zu einem Sanierungstarifvertrag kommen, müsse die 100-prozentige Anpassung an die Branche vor Vertragsende sichergestellt sein, so die ver.di-Position. Der ver.di-Fachgruppenleiter für den Einzelhandel, Orhan Akman, stellt klar: „Eine dauerhafte Absenkung oder einen Warenhaus-Tarifvertrag lehnen wir ab.“ Sichere, korrekt bezahlte Arbeitsplätze, davon profitieren Beschäftigte und Region.