Ausgabe 06/2020
Das ist nicht smart
Mehr Mitbestimmung wünschen sich die Beschäftigten in Start-up-Unternehmen oft erst einige Jahre nach der Gründungsphase, wenn die Geschäftsleitung verstärkt klassisches Führungsverhalten demonstriert. So war es auch bei N26 – der ersten "Smartphone-Bank" Deutschlands, die 2013 in Berlin gegründet wurde.
Als einige Beschäftigte im Sommer begannen, eine Betriebsratswahl vorzubereiten, gab es schnell Ärger mit den Gründern und Chefs von N26, den Wienern Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal. In einer Rundmail an die etwa 1.300 Mitarbeiter*innen in Berlin schrieben sie in der ersten Augusthälfte, dass ein Betriebsrat "gegen fast alle Werte" stünde, "an die wir bei N26 glauben", zitierte das Onlineportal Finance Forward aus dem Schreiben. Das Management wolle stattdessen "den Bereich der Arbeitnehmervertretung auf ein neues, digitales und internationales Level bringen", erklärte das Unternehmen, ohne konkreter zu werden.
Hygiene vorgeschoben
Dass die – vorwiegend jungen – Beschäftigten der neuartigen Bank dringend einen Betriebsrat benötigen, wurde 2019 deutlich: "Mehrere hundert Mitarbeiter*innen hatten Zugriff auf die Daten aller Beschäftigten", berichtet Oliver Hauser, für N26 zuständiger Gewerkschaftssekretär im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg.
"Zu diesen Daten gehörten auch die Kontobewegungen, sodass die Geschäftsleitung sehen konnte, wer in der Gewerkschaft ist, weil Beiträge abgebucht wurden."
Oliver Hauser, Gewerkschaftssekretär
"Zu diesen Daten gehörten auch die Kontobewegungen, sodass die Geschäftsleitung sehen konnte, wer in der Gewerkschaft ist, weil Beiträge abgebucht wurden." Der Unmut in der Belegschaft wuchs nicht nur wegen dieses Vorgangs. "Das Vertrauen und die Zuversicht in das Management von N26, dass es das Wohlergehen der gesamten Belegschaft gewährleistet, sind auf einem historischen Tiefststand", schrieben im August Beschäftigte in einem offenen Brief. So würden befristete Arbeitsverträge ohne Begründung nicht verlängert, hatte ein Ex-N26-Mitarbeiter gegenüber dem Onlinemedium gesagt. Das geschehe trotz guter Leistungen und eines positiven Feedbacks durch die Kund*innen.
Mit dem offenen Brief starteten die Kolleg*innen zugleich die Betriebsratsinitiative. Im August sollten die Wahlvorstände für die N26 GmbH sowie die N26 Operations GmbH gewählt werden. In diesen beiden Firmen findet sich die Mehrzahl der Beschäftigten – im Kundenservice sowie in der internen IT und im Marketing. Die eigentlichen Bankgeschäfte wickelt die N26 Bank GmbH ab; dort arbeiten allerdings relativ wenige und vor allem leitende Angestellte, die weniger Interesse an einem Betriebsrat hatten.
Gar kein Interesse, die Vorbereitung der Betriebsratswahlen zu unterstützen zeigten die N26-Chefs. Per einstweiliger Verfügung beim Berliner Arbeitsgericht stoppten sie zunächst die Versammlung, bei der der erste Wahlvorstand gewählt werden sollte. Die Veranstalter hätten kein Gesundheits- und Hygienekonzept vorgelegt, hieß es. Das Gericht gab dem Antrag statt. Dass es dem Management weniger um die Gesundheit ihrer Beschäftigten als ums Verhindern der Wahlen ging, offenbarte die Rundmail, der zu entnehmen war, dass ein Betriebsrat gegen die Werte von N26 verstoße.
Dank erfahrener Gewerkschaftskolleg*innen konnten die Beschäftigten die Wahlvorstände schließlich doch wählen. "Nach der erfolgreichen ersten Versammlung gab es gegen ver.di dann die gerichtliche Verfügung gegen den zweiten Termin. Wir haben uns mit der IG Metall kurzgeschaltet, die diese Versammlung einberief", sagt Oliver Hauser. "Das ist durch das Betriebsverfassungsgesetz gedeckt, wenn es in der Belegschaft Mitglieder der einladenden Gewerkschaft gibt." Die N26-Geschäftsleitung versuchte, mit einem parallel stattfindenden "Kick-off-Event" die Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes zu schwächen, was ihr aber nicht gelang.
Inzwischen stehen die Betriebsratswahlen in den beiden N26-Firmen kurz bevor, und die Wahlvorstände haben ihre – vom Arbeitgeber bezahlten – Schulungen absolviert. N26-Gründer Stalf entschuldigte sich sogar auf Linkedin für das Vorgehen gegenüber den Betriebsratsinitiatoren. Es muss sich zeigen, wie lange die Einsicht hält.