20200930_christoph_kampa_KM_6843.jpg

"Ich bin beim DRK Kreisverband Bremervörde in Niedersachsen als Notfallsanitäter angestellt. Seit knapp zwei Jahren bin ich als Betriebsratsvorsitzender zu 100 Prozent von meiner eigentlichen Tätigkeit freigestellt. Doch drei bis vier Mal im Monat fahre ich weiterhin freiwillig mit dem Rettungswagen auf Einsatz. Wie viele Schichten es genau sind, hängt immer davon ab, wie viel Betriebsratsarbeit gerade anfällt. So bleibe ich in engem Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen und kann mich direkt in ihre Arbeitssituation einfühlen. Außerdem möchte ich beruflich auch selbst am Ball bleiben. Denn im Rettungsdienst verändern sich die Behandlungsalgorithmen so schnell, dass man sich keine längeren Pausen erlauben kann. Und meinen Berufsstand als Notfallsanitäter möchte ich mir gerne erhalten.

Mein erster Ausbildungsberuf ist übrigens Kfz-Mechaniker. Doch in diesem Beruf habe ich nie gearbeitet, sondern gleich eine Weiterbildung zum Rettungsassistenten hinterhergeschoben. Denn schon während der Ausbildung ist mir bewusst geworden, dass ich die Arbeit mit Menschen als sinnvoller empfinde. Mit der staatlichen Prüfung zum Notfallsanitäter im Oktober 2019 sind meine Kompetenzen noch einmal gestiegen. Das heißt, dass ich nun Medikamente verabreichen oder medizinische Maßnahmen durchführen darf, die ich zuvor als Rettungsassistent nicht ausführen durfte.

Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht

Aber egal, ob nun Rettungsassistent*in, Notfallsanitäter*in oder Notärzt*in: Einen typischen Arbeitstag gibt es im Rettungsdienst nicht. Bei Schichtbeginn weiß ich nie, welche Einsätze mich erwarten oder wie lange ich an der Rettungswache bin. Diese Abwechslung finde ich auch nach all den Jahren noch sehr spannend. Denn ich stelle mich gerne auf neue Situationen ein. Aber es besteht auch die Gefahr, dass ich Eindrücke aus den Einsätzen mit nach Hause nehme. Meine Kolleg*innen und ich kommen immer dann, wenn andere die Situation nicht mehr händeln können. Sobald ich eine persönliche Betroffenheit feststelle, wird es für mich eng. Dann muss ich auf mich achten. Da ist eine Art Psychohygiene wichtig. Mir helfen Rituale, wie zum Beispiel nach jedem Dienst zu duschen.

Der Auslöser für meine ver.di-Mitgliedschaft war die Übernahme eines Betriebsratsamtes vor sechs Jahren. Mich beschäftigten vor allem die Arbeitsbedingungen im Rettungsdienst. Wir arbeiten auch dann, wenn andere Menschen normalerweise frei haben. Der Rettungswagen muss 365 Tage im Jahr rund um die Uhr besetzt sein. Doch der Schichtdienst ist sozial unverträglich. Obendrauf kommt noch die Ausweitung der Arbeitszeiten. Laut Vertrag beträgt unsere Wochenarbeitszeit 38,5 Stunden, doch wir arbeiten 45 Stunden die Woche, in 12 Stunden-Schichten. Das ist der sogenannte Bereitschaftsarbeitsanteil. Diese Arbeitszeiten sind einfach überholt. Das muss sich ändern. Und genau da möchte ich aktiv mitwirken." Protokoll: Maren Skambraks, Foto: Kay Michalak