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Wandbild in Kubas Hauptstadt HavannaFoto: AFP via Getty Images

Das erste Ziel ist erreicht. Mehr als 50.000 Unterschriften hat die Petition mit dem Titel "Deutschland mit Europa – Für ein Ende der Blockade gegen Kuba!" bereits erzielt. Initiiert wurde sie Ende Juni von einer Gruppe deutscher Kulturschaffender und Wissenschaftler*innen, die seit Jahren auf Kuba tätig sind. "Unser Aufruf richtet sich an die Bundesregierung, sich insbesondere jetzt während ihrer EU-Ratspräsidentschaft aktiv für ein Ende der US-Blockade gegen Kuba einzusetzen, denn die verstößt gegen geltendes internationales Recht", sagt die Germanistin Ulrike Dorfmüller, eine der Initiatorinnen der Petition. Erstunterzeichner*innen sind eine Reihe angesehener Persönlichkeiten, darunter die Regisseure Wim Wenders, Fatih Akin und Margarethe von Trotta, die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die Schauspielerin Hanna Schygulla und der US-Intellektuelle Noam Chomsky.

"Wir stellen seit Jahren in unserer täglichen Arbeit fest, wie sehr durch die US-Blockade die internationale Kooperation der Insel kompliziert beziehungsweise unmöglich gemacht wird. Einige Institutionen wollen keine neuen Projekte auf Kuba beginnen, aus Angst, in Konflikt mit der US-Justiz zu geraten. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise, in der es noch unerträglicher wurde, haben wir gesagt: Wir müssen etwas unternehmen", so Dorfmüller. Die Idee, Öffentlichkeit zu schaffen, hat funktioniert. Mehrere deutsche Medien (Die Zeit, Deutschlandradio, Süddeutsche Zeitung, Neues Deutschland) berichteten inzwischen. "Viele kennen die Geschichte der US-Blockade gegen Kuba nicht. Nur Wenige wissen, dass die Blockade seit 60 Jahren besteht, dass sie das längste und mörderischste Sanktionsregime der Menschheitsgeschichte ist, dass sie das Land systematisch kaputt gemacht hat", sagt einer der Mitinitiatoren, der ungenannt bleiben möchte.

Der Kalte Krieg ist zurückgekehrt

Nachdem sich 1960 US-Ölkonzerne weigerten, sowjetisches Erdöl zu verarbeiten, begann die junge Revolutionsregierung, den Besitz US-amerikanischer Unternehmen und Bürger zu enteignen. Daraufhin verhängte US-Präsident Dwight D. Eisenhower die ersten Sanktionen. Die Blockade gegen Kuba wurde seitdem in mehreren Schritten verschärft. Nach Jahren des Tauwetters unter US-Präsident Barack Obama herrscht unter Donald Trump wieder Kalter Krieg. Er hat die Blockade erneut verschärft. Die Sanktionen richten sich gegen den Tourismus, Geldüberweisungen und Kubas Finanzsektor.

"Es wird versucht, der Insel die Luft abzudrücken. Das spiegelt sich in der Versorgungslage der Bevölkerung wider", sagt Dorfmüller. Die Blockade umfasst alle Lebensbereiche und trifft vor allem die einfache Bevölkerung. "Da weniger Devisen verfügbar sind, wird weniger importiert. Und die wenigen Waren im Land sind schnell ausverkauft. Die Schlangen vor den Lebensmittelläden werden immer länger."

Besonders perfide sind die Angriffe auf Kubas Ärztemissionen, von den USA als "Menschenhandel mit Ärzten" diffamiert. Die Wahrheit ist: Während die USA inmitten der Corona-Pandemie aus der WHO austraten, zeigt sich Kuba solidarisch und schickt Tausende Ärzte in alle Welt. Und auch das passierte: Zu Beginn der Corona-Pandemie versuchte die kubanische Regierung, Lungenbeatmungsgeräte vom Schweizer Unternehmen IMT Medial AG und Acutronic zu kaufen. Im April wurden diese jedoch von der US-Firma Vyaire Medical Inc. übernommen. Wegen der US-Blockadegesetzgebung kam eine Lieferung der Beatmungs- geräte daraufhin nicht mehr zustande.

Ende September kündigte Trump eine Reihe weiterer Sanktionen gegen Kuba an. Neben neuen Reisebeschränkungen dürfen US-Bürger*innen künftig weder an Konferenzen noch öffentlichen Aufführungen, Workshops, Wettbewerben und Ausstellungen auf der Insel teilnehmen.

Kubas Präsident twittert zur Petition

Auf Kuba selbst ist die Petition gut angekommen. Die Parteizeitung Granma veröffentlichte einen Artikel, und Präsident Miguel Díaz-Canel verwies per Twitter auf die Petition und animierte zum Unterzeichnen. Die Bundesregierung, an die die Petition gerichtet ist, hat bisher nicht reagiert. Die Frage eines Journalisten in der Bundespressekonferenz, ob die Regierung von dem Aufruf Kenntnis habe, musste der Sprecher des Auswärtigen Amtes verneinen. Er betonte jedoch, dass "wir [die Bundesregierung, Anm. der Red.] grundsätzlich und unabhängig von der Ländersituation extraterritorial wirkende Sanktionen ablehnen." Eine Stellungnahme zur Petition werde schriftlich nachgereicht. Das ist bisher nicht geschehen, betonen die Initiatoren.

Sollte die Bundesregierung weiter schweigen, wollen die Initiatoren die Debatte mit kulturellen und wissenschaftlichen Akteur*innen weiterhin versachlichen. Ulrike Dorfmüller sagt: "Auch wenn wir mit dieser einen Petition nicht gleich alles einreißen werden, geht es darum, eine Stimme zu haben und einen Diskurs wachzuhalten. Auch das ändert bereits etwas." www.change.org/cuba

Kuba in aller Kürze

Fläche: 110.860 km² (Deutschland ist rund dreimal so groß)

Bevölkerung: 11,3 Millionen (in Deutschland leben 83 Millionen Menschen)

Agrarprodukte: Zucker, Tabak, Zitrusfrüchte, Kaffee, Reis, Kartoffeln, Bohnen, Vieh

Rohstoffe: Kobalt, Nickel, Eisenerz, Chrom, Kupfer, Salz, Kieselerde, Erdöl

Importgüter: Mineralische Brennstoffe, Schmierstoffe, Maschinen, Fahrzeuge, Nahrungsmittel, chemische Erzeugnisse

Exportgüter: Mineralölerzeugnisse, chemische Erzeugnisse, Getränke, Tabak

Wichtigste Handelspartner: Venezuela, China, Kanada, EU (v.a. Spanien, Niederlande, Italien)

Kuba ist zwar ein armes Land, aber das kostenlose Gesundheits- und Bildungssystem sowie die "Libreta" (Rationierungsheftchen) gewährleisten eine flächendeckende Grundversorgung.