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Gesicht mit Maske zeigen und ordentlich abrasselnFoto: Reiner Kunze

Streik kennen wir eigentlich so: Möglichst viele treten ihren Dienst nicht an, wenn ihr Betrieb zur Arbeitsniederlegung aufgerufen wurde. Beschäftigte sammeln sich und machen sich auf den Weg zum Streiklokal, wo sie namentlich als Streikende erfasst werden. Kugelschreiber gehen durch zahllose Hände, es bilden sich lange Schlangen, weil alles händisch erfasst wird. Dann wird sich erneut versammelt, und schon geht die Demo los. Auf allen diesen Stationen stehen viele Menschen dicht an dicht, oft eingehakt, und pusten kräftig in ihre Trillerpfeifen, dazwischen werden lautstark verschiedene Parolen skandiert. Am Kundgebungsort wird Suppe ausgegeben oder Kaffee ausgeschenkt. Wieder wird alles von vielen Händen angefasst. Auf der Bühne halten die Redner das Mikro ganz nah an den Mund. Viele unterschiedliche Redner*innen.

Beim Sammeln, beim Laufen, beim Redenhören: Kein Abstand nirgends, haufenweise wirbeln die Aerosole durch Trillerpfeifen und Streikrufe umeinand'. Und überhaupt: Bei der Lautstärke kann praktisch niemand normal sprechen.

Es ist klar: All das ist diesmal nicht möglich.

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Abstand halten leicht gemachtFoto: Ute Fritzel

Deshalb haben sich bei ver.di seit dem Ausbruch des Coronavirus viele Kolle*ginnen Gedanken über alternative Protestformen gemacht. Ein Teil der Proteste fand digital statt, zum Beispiel bei der Fotopetition "Gesicht zeigen". Außerdem wurde überlegt, wie Hygieneregeln bei Streikaktionen an der frischen Luft eingehalten werden können. Denn klar ist auch: Eindrucksvoll und bildmächtig sind Streiks vor allem dann, wenn sie möglichst viele Kolleg*innen auf die Straße bringen. Und die wollen ja auch auf die Straßen gehen, weil sie ihre Forderungen öffentlich machen möchten. Das hat geklappt. Gut, es waren nicht ganz so viele auf der Straße wie sonst. Aber sie waren sichtbar, an vielen Orten, und haben sich phantasievoll an die Hygieneregeln gehalten. Da wurde bei Streiklokalen die Laufrichtung mit Sprühkreide markiert. Die Rampe entlang in Rot zum Reingehen, zum Verlassen die Treppe runter ging's dem grünen Pfeil nach. Mund-Nasen-Schutz war selbstverständlich Standard. Absperrbänder wurden als Distanzhalter genutzt. Damit bildeten die Streikenden Menschenketten und umringten ihre Rathäuser.

Und: Die Trillerpfeife ist out. Zuviel Spucke und zu tiefes Atmen. Das Lärminstrument der Wahl und neuer Star der Streiks in Coronazeiten: die Rassel. Auch die ist unüberhörbar.