Ausgabe 08/2020
Nur noch zwei von 22
Brandenburg – Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen vom 25. Oktober brachte für Beschäftigte in der Pflege Verbesserungen wie eine Corona-Prämie und weniger Arbeitszeit, die ver.di ausgehandelt hatte. Doch längst nicht alle Pflegekräfte kommen in den Genuss des Abschlusses, weil nur noch wenige kommunale Krankenhäuser in Brandenburg den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) anwenden.
„Von der tariflich vereinbarten Corona-Prämie von bis zu 600 Euro, der Verkürzung der Arbeitszeit sowie der Verbesserung von Zulagen und Zuschlägen wird die Mehrheit der Pflegebeschäftigten in Brandenburg nichts haben“
Meike Jäger, im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg für den Fachbereich Gesundheit zuständig
"2006 ist unser städtischer Träger aus der Tarifbindung ausgestiegen, aber im Kommunalen Arbeitgeberverband geblieben", sagt Annett Thielicke, Betriebsratsvorsitzende des Krankenhauses Eisenhüttenstadt. Zwölf Jahre blieb das aus sieben Kliniken bestehende Haus mit 349 Betten und etwa 545 Beschäftigten tariflos, bis vor zwei Jahren ein Haustarifvertrag abgeschlossen werden konnte. "Damit lagen wir zuletzt bei etwa 90 Prozent vom TVöD. Nach dem aktuellen Abschluss sind wir nun bei 87 Prozent", sagt die Betriebsratsvorsitzende. Und dieses Niveau erreichen auch nur die Beschäftigten mit Altverträgen. Wer nach der Tarifflucht eingestellt wurde, bekam eine schlechtere Eingruppierung und liegt derzeit bei etwa 77 Prozent vom TVöD.
Von 22 kommunalen Krankenhäusern im Land Brandenburg sind lediglich zwei an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gebunden: das Städtische Klinikum Brandenburg sowie das Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann. "Die übrigen zwanzig haben schon vor Jahren die Vollmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband aufgekündigt – mit Zustimmung der zuständigen Landräte, Oberbürgermeister, Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen", sagt Meike Jäger, die im ver.di-Landesbezirk Berlin-Brandenburg für den Fachbereich Gesundheit zuständig ist. In diesen Kliniken gelten Haustarifverträge oder einseitige Erklärungen der Arbeitgeber zu Entlohnung und Arbeitsbedingungen. In der Altenpflege sei keine einzige kommunale Einrichtung an den TVöD gebunden. "Von der tariflich vereinbarten Corona-Prämie von bis zu 600 Euro, der Verkürzung der Arbeitszeit sowie der Verbesserung von Zulagen und Zuschlägen wird die Mehrheit der Pflegebeschäftigten in Brandenburg nichts haben", so Meike Jäger.
Annett Thielicke kennt den verbreiteten Spardruck auf die Einrichtungen. "Es fehlt an Unterstützung. Die Landesregierung hat sich zwar zum Erhalt des Krankenhauses bekannt, aber keine Aussagen zu einer besseren Finanzausstattung gemacht." Wie in vielen Häusern sind auch in Eisenhüttenstadt die Servicebereiche Küche, Reinigung, Haustechnik und medizinische Versorgungszentren in Tochtergesellschaften ausgelagert, die erheblich schlechter zahlen als es der Haustarifvertrag vorsieht. "Krankenhäuser gehören zur Daseinsvorsorge, und ich halte es für verkehrt, mit Kranken Geld zu verdienen!", sagt die Betriebsratsvorsitzende. Die Krankenhausfinanzierung müsse dringend neu geregelt werden – inklusive Bindung an den TVöD für die Beschäftigten. Gudrun Giese