Ausgabe 02/2021
Keine Einzelfälle, eine Skandalserie
Fast wirkt es so, als hätten CDU und CSU den festen Plan gefasst, das Thema Lobbyismus und Korruption in den eigenen Reihen auf die Titelseiten zu bringen. Beinahe im Tagesrhythmus offenbaren sich seit Ende Februar, Anfang März neue Abgründe. Die Skandale werfen Schlaglichter auf fehlende oder zu schwache Regeln – und auf eine zweifelhafte politische Kultur in der Union. Den Anfang der Skandalserie machte der nun zurückgetretene Vizevorsitzender der Unionsfraktion Georg Nüßlein, CSU, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung ermittelt. Nüßlein soll von einem Hersteller von Hygienemasken die für Normalbürger kaum fassbare Summe von 660.000 Euro als Provision erhalten haben – nämlich dafür, dass er für die Firma Kontakte zu Bundes- und Landesministerien hergestellt hat. Die Zahlung wurde wohl über eine Firma abgewickelt, an der Nüßlein wesentlich beteiligt ist. Nachdem der Bundestag die Immunität des CSU-Politikers aufgehoben hat, durchsuchte die Staatsanwaltschaft sein Bundestagsbüro und weitere Objekte, unter anderem in Liechtenstein.
Erst nach erheblichem Druck aus Partei- und Fraktionsspitze trat Nüßlein aus der Fraktion und der CSU aus. Überhaupt dauerte es sehr lange, bis Armin Laschet und Markus Söder sich in der sogenannten Maskenaffäre zu Wort meldeten. Erst als weitere Fälle von Unionsabgeordneten bekannt wurden, die im Zuge der großen pandemischen Not Geschäfte machten, fand die Union klare Worte – wobei es Laschet und Parteifreunden sehr darauf ankommt, weiterhin von Einzelfällen zu sprechen und nicht von einem strukturellen, grundlegenderen Problem in den eigenen Reihen. Aber es ist durchaus eine beachtliche Zahl an "Einzelfällen". Da ist der 34-jährige Ex-CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel, der eine Viertelmillion Euro Vermittlungsgebühr für Maskengeschäfte einstrich und ebenfalls nicht sauber zwischen Mandat und seinen Geschäften trennte. Und da ist der ebenfalls noch junge Mark Hauptmann, der sowohl Geschäfte mit Masken machte, als auch fragwürdige Verbindungen ins autoritär regierte Aserbaidschan unterhält. Neben den Maskengeschäften ist Aserbaidschan nämlich der andere Komplex, in dem Staatsanwälte aktuell gegen Unionspolitiker ermitteln. Nach der Abgeordneten Karin Strenz, gegen die schon seit längerem Ermittlungen laufen, kam nun Axel E. Fischer hinzu. Fischer steht wie Strenz im Verdacht, über verschlungene Wege und den CSU-Politiker Eduard Lintner, gegen den ebenfalls ermittelt wird, aserbaidschanisches Geld im Gegenzug für Lobbyarbeit für das Regime erhalten zu haben.
Diese und weitere Fälle zeigen deutlich: Die Regeln für Bundestagsabgeordnete müssen gründlich überarbeitet und verschärft werden. Die aktuellen Regeln und Gesetze ermöglichen allerlei Geschäfte in der Grauzone und begünstigen am Ende Korruption. Künftig muss glasklar gelten: Abgeordnete dürfen keine bezahlten Lobbyisten sein. Sie dürfen ihre Position als Volksvertreter nicht nutzen, um sich in die eigene Tasche zu wirtschaften. Hier braucht es klare Grenzen und Regeln – teilweise schwer zu glauben, dass es das alles noch nicht gibt in einer modernen Demokratie. Zudem muss besser sichtbar werden, an welchen Unternehmen Abgeord-nete beteiligt sind und welche Einkünfte sie daraus erzielen. Wer neben dem Mandat als "Berater" tätig ist, bei dem muss klar sein, für wen und wozu. Ansonsten kann gar nicht beurteilt werden, ob sich Nebenjob und Mandat unzulässig überschneiden. Das muss schärfer kontrolliert werden und härtere Strafen nach sich ziehen.
Die Skandalserie weist aber über die schwachen und lückenhaften Regeln und Gesetze hinaus auch darauf hin, dass es in CDU und CSU selbst ein großes Problem gibt. Das besteht in der laxen Haltung solchen Vorgängen gegenüber: Statt ernsthaft aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen, wurden Skandale bislang gerne vor allem ausgesessen. Karin Strenz etwa sitzt immer noch im Bundestag und in der Unionsfraktion. Gegen sie wird bereits seit 2018 ermittelt. Der Europarat hat ein lebenslanges Hausverbot gegen sie ausgespro-chen. In Mecklenburg-Vorpommern hat die CDU gerade Philipp Amthor auf den ersten Listenplatz für die Bundestagswahl gewählt – obwohl der Lobbyismus-Skandal um ihn nicht vollständig aufge-klärt wurde. Diese Haltung des Aussitzens muss sich ändern, sie befördert die Neigung, die Vermischung von Abgeordnetenmandat und privaten Geschäften auf die leichte Schulter zu nehmen.
Künftig muss glasklar gelten: Abgeordnete dürfen keine bezahlten Lobbyisten sein