Bis 2050 wird die Zahl der Pflegebedürftigen voraussichtlich von heute rund 4,2 Millionen auf über sechs Millionen Menschen steigen, ein Plus von 45 Prozent. Doch bereits heute fehlen Pflegekräfte, allein in der Altenpflege sind rund 24.000 Stellen unbesetzt – Tendenz steigend. Wesentliche Ursachen dafür sind eine hohe Arbeitsbelastung und eine miserable Bezahlung vor allem in privaten, gewinnorientierten Altenheimen und Pflegediensten. Deshalb kämpft ver.di schon seit Langem für bessere Bedingungen in der Pflege.

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Norbert Reuter leitet die tarifpolitische Grundsatzabteilung bei ver.diFoto: ver.di

Ein mit dem Arbeitgeberverband BVAP abgeschlossener Tarif-vertrag, der bis zu 25 Prozent höhere Löhne festschreibt, sollte nun durch die Politik auf die gesamte Branche ausgeweitet werden. Nur die Zustimmung der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie waren noch erforderlich, da sie mit rund 300.000 Beschäftigten große Arbeitgeber in der Pflegebranche sind. "Das kann keine ernstliche Hürde sein", war vielfach zu hören. Die Kirchen würden doch keine höheren Löhne verhindern! 1,2 Millionen Beschäftigte hatten sich schon auf ein deutliches Gehaltsplus gefreut – und auf die damit verbundene Wertschätzung ihrer Arbeit.

Doch zu früh gefreut. Denn die Kirchen genießen das überkommene Privileg, die Löhne im Rahmen des sogenannten "Dritten Weges" autonom in eigenen arbeitsrechtlichen Kommissionen auszuhandeln. Streikrecht? Fehlanzeige! Der Arbeitgeber hat hier faktisch das Sagen. Und so geschah es dann auch. Zunächst hat die Caritas den Tarifvertrag abgelehnt, die Diakonie zog sich mit einer Nicht-Entscheidung daraufhin feige aus der Affäre. Bei den kommerziellen Betreibern der stationären und ambulanten Pflege dürften die Sektkorken geknallt haben. Sie können jetzt weiter Gewinne aufgrund von Dumpinglöhnen machen. Gesellschafts-politisch ist das eine Katastrophe. Wenn die Politik nun nicht drastisch gegensteuert, wird aus dem Pflegenotstand ein Pflegedesaster.