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Unmittelbar nachdem das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel gekippt hat, demonstrieren in Berlin tausende Menschen für bezahlbaren WohnraumFoto: Christoph Söder/dpa

Am 25. März 2021 urteilte das Bundesverfassungsgericht, der Berliner Mietendeckel sei verfassungswidrig, das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen von Berlin deshalb nichtig. Aber Zweifel sind angebracht.

Schon einmal vorausgeschickt: Die Wohnungskatastrophe in Deutschland wurde 1990 eingeleitet: Da hatte die Bundesregierung von CDU, CSU und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Gemeinnützigkeit öffentlicher Wohnungsgesellschaften abgeschafft.

Und jetzt, 2020, waren es Abgeordnete eben dieser Parteien CDU, CSU und FDP: Sie brachten eine Normenkontrollklage gegen den Berliner Mietendeckel vor das Gericht. Die Verursacher der Wohnungskatastrophe haben nichts dazugelernt. In den letzten Jahren flossen die Spenden der Spekulanten besonders kräftig.

Kein tiefer Eingriff

Der Mietendeckel des Berliner Senats aus SPD, Grünen und Linken war im Februar 2020 in Kraft getreten. Damit waren die Mieten von 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Die Mieten sollten erst ab 2022 wieder steigen dürfen, zum Inflationsausgleich, höchstens um 1,3 Prozent pro Jahr. Wenn eine Wohnung neu vermietet wird, gelten Obergrenzen nach Mietspiegel. Mieten, die mehr als 20 Prozent über dem Mietspiegel lagen, mussten gesenkt werden. Wohnungen, die nach 2014 gebaut wurden, waren ausgenommen. Der Deckel war auf fünf Jahre befristet. Ein tiefer Eingriff war das nicht. Aber den Investoren und ihren Lobbyisten war das zu viel.

Steigende Gewinne trotz Mietendeckel

Die öffentlichen Wohnungen auch in Berlin wurden zuerst von sogenannten "Heuschrecken" wie Fortress und Cerberus überfallen und dann seit der Finanzkrise 2008 von den neuen Kapitalmächtigen wie BlackRock, State Street und Norges zu neuen Konzernen zusammengeschoben. So stiegen die Mieten in Berlin bei Neuverträgen zwischen 2013 und 2019 um durchschnittlich 27 Prozent. Gleichzeitig stagnierten viele Arbeitseinkommen, in der Pandemie geht das bei Kurzarbeitergeld und wegfallenden Nebenjobs weiter. Die Konzerne hielten sich zur Imagepflege etwas zurück, verschoben einige Mietsteigerungen und stundeten betroffenen Mietern die Zahlung.

Aber trotzdem steigerten alle ihre Gewinne. Pünktlich zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts gaben sie stolz bekannt:

  • der größte Wohnungskonzern Vonovia hat ein paar zehntausend Wohnungen dazugekauft und schüttet 915 Millionen an BlackRock & Co aus
  • der zweitgrößte Konzern Deutsche Wohnen stieg auch wegen Zukaufs von Pflegeheimen 2020 in den DAX auf und schüttet 350 Millionen aus
  • der drittgrößte Konzern LEG hat 9.535 Wohnungen zugekauft und schüttet 272 Millionen an mehr oder weniger dieselben Aktionäre aus.

Nach der Pandemie wird es mit den paar Rücksichten vorbei sein, zusätzlich beflügelt durch das Urteil. Und so wird es weitergehen mit der Wohnungskatastrophe – wenn die Verursacher nicht ausgebremst werden.

Urteil im Investoren-Interesse

Die Begründung des Gerichts steht ohnehin auf wackeligen Füssen: Die Bundesländer seien zur eigenen Gesetzgebung nur dann berechtigt, wenn der Bund nicht eingreife. Aber er tue es, denn mit den Paragraphen 556 bis 561 des Bürgerlichen Gesetzbuchs BGB sei alles "umfassend und abschließend" geregelt.

Die Artikel regeln aber nur, und das reichlich vage: Betriebskostenpflicht, Mieterhöhungen, ortsübliche Vergleichsmiete, Mieterhöhung durch Modernisierungen, Sonderkündigungsrecht des Mieters nach einer Mieterhöhung. Der härteste Eingriff steht in Artikel 556 d "Zulässige Miete bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten": Dies wird umgangssprachlich als "Mietpreisbremse" bezeichnet. Die aber hat bekanntlich keinen Mietpreisanstieg gebremst, und schon gar nicht in "angespannten Wohnungsmärkten".

Also: Im Vergleich zu den massiven Umgestaltungen seit 1990 und zur Explosion von Mieten, Nebenkosten und auch der Preise für Eigentumswohnungen, die heute überwiegend zur teuren Vermietung erworben werden, erweist sich das vom Gericht zitierte Bundesrecht als unwirksam: Nichts ist "umfassend und abschließend" geregelt, im Gegenteil.

Das Urteil ist jedoch auch darüber hinaus fragwürdig. Es bestreitet die Gesetzeskompetenz der Bundesländer. Aber, nur zum Beispiel: Im Mieterschutzgesetz 2020 der NRW-Landesregierung unter Armin Laschet, jetzt Kanzlerkandidat der CDU, ist das bisher mögliche Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ersatzlos gestrichen. Wenn Bundesländer also investorengefällige Gesetze machen, dann hat das Hohe Gericht nichts einzuwenden.

Gestalten und Enteignen

Das Urteil folgt den kalten Interessen der Investoren und ihrer Lobbyisten. Hat da auch die 2020 erfolgte Ernennung des CDU-Abgeordneten und Unternehmeranwalts Stephan Harbarth zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts schon Wirkung gezeigt? Soziale Spaltung ist mit Demokratie nicht verträglich. Deswegen ist das grundgesetzliche Gebot des Gemeinwohls und die Möglichkeit der Enteignung heranzuziehen. Und der UN-Sozialpakt, von Deutschland ratifiziert, enthält nach dem Vorbild der Allgemeinen Menschenrechte das Menschenrecht auf eine angemessene bezahlbare Wohnung. Schon vergessen?

Was ver.di dringend fordert

Zur Umsetzung sind aber nachhaltige Aktivitäten nötig. Die Gewerkschaft ver.di hat in ihren Anforderungen an die Wahlprogramme 2021 wichtige Forderungen zusammengefasst, unter anderem:

  • Vor allem Kommunen müssen neue gemeinnützige Wohnungsgesellschaften gründen. Dazu stellt der Staat seine äußerst günstigen Kredite zur Verfügung.
  • Die Finanzierungsform Public Private Partnership PPP/ÖPP kommt in die Mottenkiste.
  • Die dubiosen Share Deals, mit denen die Investoren die Grunderwerbssteuer umgehen und die öffentlichen Haushalte verarmen, werden ersatzlos gestrichen.
  • Die Mietervereine erhalten ein Verbandsklagerecht.

Und aktuell: Die Unterschriftensammlung in Berlin für das Volksbegehren "Deutsche Wohnen enteignen" geht weiter, mit bundesweiter Unterstützung. Bis August werden nicht nur die restlichen der benötigten 175.000 Unterschriften gesammelt, sondern viel mehr. Zu erreichen unter dwenteignen.de

Und die Arbeitsverhältnisse?

Und auch dies nicht zu vergessen. Über 250.000 Beschäftigte sind in der Wohnungsverwaltung tätig: Hausmeister, Handwerker, Reinigungskräfte, Verwalter, Techniker. Allerdings wurden die Arbeitsverhältnisse von Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG & Co systematisch verschlechtert: Tarifverträge werden verweigert, viele Arbeiten werden an Niedriglohn-Subunternehmer ausgelagert.

Vonovia hat neue Tochterfirmen gegründet, bei denen es keinen Tarifvertrag gibt. Bei der LEG und deren 145.000 Wohnungen kümmern sich 406 Beschäftigte der Firma TSP um Heizungen, Sanitäres, Maler- und Holzarbeiten, Grünflächen. Jetzt, während der Pandemie haben die Beschäftigten mit ver.di an 18 Tagen hilfsweise digital gestreikt, für einen Tarifvertrag. Die Forderungen ergeben im Vergleich zu den erwähnten 272 Millionen Euro Ausschüttung an die Aktionäre der LEG zusammen 0,9 Millionen Euro – abgelehnt. Wobei: Allein dem Vorstandschef Lars von Lackum genehmigten BlackRock & Co eine um 1,4 Millionen erhöhte Jahresvergütung. Da gibt es für verfassungsgemäße, soziale und demokratische Verhältnisse einiges zu tun.