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Wenn ich morgens aufs Gelände komme, beginnen die Gespräche. Das reicht vom freundlichen Hallo bis hin zu großen Problemen. Es gibt nahezu keinen Ort im Betrieb, wo nicht mein Arbeitsplatz ist. Aktuell haben wir durch die Pandemie einen extremen Schub in der Digitalisierung durchgemacht. Homeoffice und mobiles Arbeiten in Verlag und Redaktion, Zunahme von Mobilität bei gleichzeitig gestiegenen technischen Anforderungen.

Das Wir und Miteinander

Am Anfang der Pandemie haben wir im Betriebsrat, der aus neun Personen besteht, unsere Sitzungen über Telefonkonferenzen durchgeführt, dann in Videokonferenzen. Wichtige Beschlüsse haben wir in Präsenzsitzungen gefasst, um sie rechtssicher zu erzielen.

Als Vorsitzende bin ich freigestellt. Bei mir laufen die Fäden zusammen, ich koordiniere. Für die Beschlüsse des Gremiums bin ich Sprecherin nach außen und halte den Kontakt zu den Beschäftigten wie alle anderen Betriebsratsmitglieder auch. Ich bin zudem Ansprechpartnerin für den Arbeitgeber. Ich führe die Betriebsratssitzungen, hole Informationen als Grundlage für unsere Arbeit ein, bereite Betriebsvereinbarungen vor, unterbreite dem Gremium Vorschläge und moderiere die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Über meiner Arbeit steht aber immer das Wir und Miteinander.

Zu unseren Betriebsratsaufgaben gehört es, dafür zu sorgen, dass Gesetze, Verordnungen und Betriebsvereinbarungen eingehalten und die Interessen der Beschäftigten gewahrt werden. Dazu prüfe ich zum Beispiel Arbeitszeitnachweise, Überstundenanträge oder Eingruppierungslisten, ich schaue wo es Ungerechtigkeiten gibt und führe Gespräche. Auch nehme ich an Personalgesprächen teil, wenn Beschäftigte das wünschen. Und ich betreue die Ausbildung. Wichtig finde ich, dass Menschen miteinander reden, sich vertrauen und gemeinsam agieren und dass sie ihre Rechte kennen und wissen, dass sie Vertragspartner des Arbeitgebers sind.

Ein wichtiger Teil meiner Arbeit sind Gespräche und Arbeitsplatzbegehungen. Letzteres, um zu prüfen, ob die Arbeitsstättenverordnung sowie Regelungen zum Gesundheitsschutz eingehalten sind. Im Gremium wird dann entschieden, ob und wenn ja, welche Maßnahmen notwendig sind. Manchmal ermuntere ich auch einfach nur die Kolleg*innen miteinander zu reden.

Beruflich bin ich in der ehemaligen DDR als Mathe-Physik-Lehrerin gestartet. Aber ich wollte mir nicht erzählen lassen, bei uns gibt es nichts zu verbessern, oder welche Jugendlichen ich ausschließen soll. Also habe ich den Beruf an den Nagel gehängt. In der DDR war das schwierig. 1988 habe ich bei der Zeitung angefangen und zunächst im Anzeigengeschäft gearbeitet. 1990 ließ ich mich bei den Betriebsratswahlen aufstellen und wurde gewählt. Darüber hinaus bin ich in der Gewerkschaft aktiv, zum Beispiel im Gewerkschaftsrat und der Bildung. Meine Motivation seit dem Mauerfall: Nochmal stülpt ihr mir kein System über, bei dem ich nicht mitbestimme. Ich will kein unsoziales Verhalten akzeptieren.

Protokoll: Marion Lühring

Foto: Christian von Polentz