In Krisenzeiten zeigt sich besonders deutlich, wenn etwas schief läuft in einem Land. Ob Corona oder Hochwasser, beide haben gezeigt – und die Pandemie zeigt es immer noch –, dass es ein Zurück zur alten Normalität eines ökologisch und sozial blinden Wirtschaftssystems nicht geben darf. Die Bundestagswahl am 26. September ist eine Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass sich unsere Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern.

ver.di macht sich im Vorfeld auch dieser Wahl für eine Politik stark, die sich an den Bedingungen in der Arbeitswelt und den Lebensbedingungen generell orientiert. Besonderer Wert wird dabei auf die folgenden fünf Punkte gelegt:

  • Die Arbeit der Zukunft muss tariflich entlohnt, sozial abgesichert, gesund sowie selbst- und mitbestimmt sein.
  • Ein moderner Sozialstaat muss die Daseinsvorsorge ausbauen sowie die zentralen Lebensrisiken und den Lebensstandard sozial absichern.
  • Der ökologische Umbau unserer Gesellschaft erfordert eine sozial gerechte Verkehrs- und Energiewende.
  • Eine gerechte Steuerpolitik und ein rationaler Umgang mit Staatsschulden sollen die staatliche Handlungsfähigkeit sichern und den sozialen Zusammenhalt stärken.
  • Die offene und lebendige Demokratie und der Frieden müssen bewahrt und gestärkt werden.

Um das zu erreichen, hat ver.di klare Erwartungen an die Parteien formuliert. Und das für jeden Bereich, ob Wohnen, Kunst und Kultur, Gesundheit, Europa oder Pflege – um nur einige Beispiele zu nennen. Dabei spielen auch die großen Veränderungsprozesse eine Rolle, vor denen auch die Arbeitswelt und die Gesellschaft stehen. Digitalisierung ist da ein Stichwort, ein Thema, mit dem ver.di sich nicht nur anlässlich der Bundestagswahl auseinandersetzt. Regelmäßig richtet ver.di Digitalisierungskongresse aus, in zahlreichen Tarifverträgen werden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigten geregelt.

Grundrechte sind der Maßstab

"Technischer Fortschritt muss immer im Dienst der Menschen stehen und am Gemeinwohl orientiert sein", ist eine ver.di-Maxime. Die Grundrechte müssen zum Maßstab von Technikgestaltung werden, die Regeln eines demokratischen, rechtsstaatlichen Miteinanders in Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt bewahrt und in die digitale Welt übersetzt werden.

Eine der großen politischen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, ist die zunehmende soziale Ungleichheit. Sie wurde durch die Corona-Krise weiter verstärkt. Reiche und Superreiche sind meist ohne Einkommens- und Vermögensverluste durch diese Zeit gekommen, während die Arbeitsplätze von Beschäftigten in Krisenbranchen gefährdet waren und Minijobber*innen und Soloselbstständige aus Krisenbranchen ihre Erwerbsarbeit verloren haben und direkt in die Grundsicherung gerutscht sind.

Sozial gerecht und nachhaltig

Ursächlich für die soziale Spaltung der Gesellschaft sind Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt. Um aber den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, muss die Arbeit der Zukunft sozial gerechter und nachhaltiger ausgestaltet werden. Fünf zentrale Punkte stehen auf der ver.di-Agenda:

  • Tarifbindung und ihr jeweiliger Geltungsbereich müssen gestärkt werden.
  • Der Arbeitsmarkt bedarf einer erneuten Regulierung.
  • Arbeit in der digitalen Welt muss gut bezahlt, sicher, selbstbestimmt und human sein.
  • Soziale Sicherung und die aktive Arbeitsmarktpolitik müssen verbessert werden.
  • Die Mitbestimmung muss gesichert und ausgebaut werden.

Mindestens 12 Euro Mindestlohn

Einen Grundstein für mehr soziale Gerechtigkeit haben die Gewerkschaften schon gelegt: Den allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn, dessen Einführung im Jahr 2015 maßgeblich auf den Druck ver.dis und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zurückgeht. Er muss jetzt endlich spürbar erhöht werden, von derzeit 9,60 Euro pro Stunde auf mindestens 12 Euro. Davon würden insbesondere viele Frauen profitieren.

Angemessene Ausbildung

Auch junge Menschen, auf die sich die Corona-Krise besonders stark ausgewirkt hat, brauchen jetzt noch mehr Unterstützung. Damit sie eine Perspektive bekommen, muss es gemeinsames Ziel und Verpflichtung aller Akteur*innen auf dem Arbeitsmarkt sein, ihnen ein angemessenes Ausbildungsangebot zu machen. Und das bedeutet auch, dass die Qualität der Ausbildung stimmen muss.

Daseinsvorsorge sorgt für Zusammenhalt

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben auch gezeigt, wie wichtig die kommunale Daseinsvorsorge für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Doch an der Daseinsvorsorge – sei es im öffentlichen Gesundheitswesen, in der Instandhaltung der Infrastruktur oder etwa im öffentlichen Kulturbetrieb – ist in den zurückliegenden Jahren gespart worden. Die Folge: Notwendige kommunale Investitionen haben sich angestaut. Das Deutsche Institut für Urbanistik beziffert die notwendige Summe auf 147 Milliarden Euro. Viel Geld. Das können die Kommunen allein nicht bewältigen, weil sie es einfach nicht haben, sie brauchen Unterstützung von Bund und Kommunen.

Ziel muss dabei die Wiederherstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse sein, die nicht davon abhängen dürfen, ob vor Ort wirtschaftlich starke oder schwächere Unternehmen und Kulturbetriebe angesiedelt sind. Stattdessen müssen die Kommunen wieder zu Motoren für die Wirtschaft werden und in der Lage sein, in die öffentliche Infrastruktur zu investieren. Denn öffentliche Güter sollen allen Bürger*innen dienen – und nicht Profitinteressen. Und klar ist auch, dass für die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge auch ausreichendes, gut qualifiziertes und gut bezahltes Personal nötig ist. Hier haben Personalabbau und Stellenstreichungen seit den 1990er Jahren deutliche Spuren hinterlassen.

Investitionsstau auflösen

Nach ver.di-Berechnungen ist pro Jahr ein zweistelliger Milliardenbetrag notwendig, um den Investitionsstau Schritt für Schritt aufzulösen. Das kann zum einen in der derzeitigen Niedrigzinsphase über zusätzliche öffentliche Kredite finanziert werden – zumal jeder investierte Euro das Sozialprodukt um 1,5 Euro erhöht und die damit einhergehenden Mehreinnahmen aus Steuern und Sozialabgaben sowie geringeren Sozialtransfers zu nennenswerten Selbstfinanzierungseffekten führen.

Da Bund, Länder und Kommunen insgesamt chronisch unterfinanziert sind, sollte die Steuerpolitik die staatliche Einnahmebasis verbreitern. Und nicht nur das, sie sollte auch die Einkommens- und Vermögensverteilung korrigieren und damit für mehr soziale Gerechtigkeit im Land sorgen. Das bedeutet für ver.di

  • eine Reform der Lohn- und Einkommenssteuer,
  • die gleiche Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen,
  • die Streichung des Ehegattensplittings,
  • die Wiedereinführung der Vermögenssteuer,
  • die Reform der Erbschaftssteuer,
  • die Reform der Unternehmensbesteuerung,
  • die Einführung einer Finanztransaktionssteuer,
  • und die Reform des Steuervollzugs.

Dies sind nur einige der Punkte, die ver.di bei der Wahl für entscheidend hält und die zu mehr sozialer Gerechtigkeit im Land führen. Weitere Materialien zur Bundestagswahl gibt es auf verdi-waehlt.verdi.de. Und auch bei zahlreichen Veranstaltungen mischt sich ver.di politisch ein, teils online, teils vor Ort, in Gesprächen, sei es in den ver.di-Bezirken, sei es im ver.di-Bundesvorstand mit den Spitzenkandidat*innen der Parteien, bei Aktionen oder in Bündnissen: ver.di setzt sich ein – und das nicht nur in Wahlkampfzeiten.