R03__Camping.jpg
Der Wohnwagen steht. Zum Glück hängt nur die Wäscheleine schiefFoto: imago/Westend61

Frühjahr 2020, die erste Pandemiewelle ebbt gerade ab, ein Impfstoff ist noch nicht in Sicht, und ein Spaziergang vor die Tür fühlt sich wie ein kleines Abenteuer an. Der Wunsch nach einem Campingurlaub ist schnell geboren: genug Abstand, ein eigenes Bett dabei, eine Dusche und sogar ein Klo. Ein Drittel mehr Menschen als sonst wollen im Jahr 2020 so verreisen. Auch wir.

Das coole Ei

Wir mieten uns einen Wohnwagen. Der sieht cool aus, erinnert an ein Ei, und das hat den Vorteil, dass er besonders kurz ist. Schließlich sind wir Anfänger und trauen uns mit einem langen Gespann nicht auf die Straße. Leider ist die Oberfläche unserer rollenden Kugel kleiner als bei herkömmlichen Modellen, und dort, wo die Stauräume angebracht sind, fehlen jetzt überall Ecken und geräumige Fächer. Als Campinganfänger haben wir auch viel zu viele Sachen dabei, die wir nun in winzige Nischen stopfen.

Bei unserer ersten Ausfahrt geht es nach Cochem an die Mosel. Dort haben wir nach dem langen Lockdown das Gefühl von Freiheit und Abenteuer – und auch von selbst gewählter Bescheidenheit. Unser Ei auf zwei Rädern ist wie eine Wohnung, nur eben viel kleiner. Zum Duschen hockt man sich in eine Ecke im winzigen Bad, die niedliche Toilette hat einen Schieber, den man vorher öffnen muss, sonst läuft die Schüssel über, und spätestens nach drei bis vier Tagen muss man den Fäkalien-Kanister aus dem Wohnwagen ziehen und die Hinterlassenschaft in der Entsorgungsstelle des Campingplatzes entsorgen.

"Wohnwagen oder Wohnmobil", fragt der Händler. Wir haben keine Ahnung. "Na, dann seid ihr noch ganz am Anfang", winkt er ab.

Es gibt eine kleine Küche, einen Kühlschrank und einen Gasherd. Allerdings haben wir keinen Grill dabei. Deshalb müssen wir nun bei schönstem Wetter im Fahrzeug kochen. Das Fett läuft in eine Ecke der Pfanne; denn der Wohnwagen steht schief. Er wird nochmal gerückt und geschoben.

Gegessen wird draußen an der frischen Luft. Im Fahrzeug stinkt es jetzt nach Fett. Und überall liegen unsere Sachen im Weg. Die Betten müssen auch noch gemacht werden. Und das von der Mietstation aufgefüllte Frischwasser im Tank geht zur Neige, wir müssen also neues mit einer Gießkanne holen. Das Pfingstwetter entschädigt uns für unsere Mühen mit reichlich Sonne und wir befinden: Campen ist ganz wunderbar, das machen wir ab jetzt öfter. Aber nächstes Mal nehmen wir einen Grill mit und ein größeres Fahrzeug.

Das rote Buch

Ich packe ein kleines rotes Buch aus, das mir ver.di geschenkt hat und aussieht wie ein Poesiealbum. Darin trage ich von nun an unsere Reiseerlebnisse ein, die Besonderheiten der Campingplätze, die Adressen und vor allem die Nummern der Stellbuchten, in denen wir jetzt viel lieber stehen würden, die aber schon alle besetzt sind, weil andere es besser wussten und im Voraus gebucht haben.

Vor der Rückfahrt öffnen wir eine Außenklappe und finden die benötigten Keile, die man unter die Räder schiebt, damit das Fahrzeug sicher in Waage steht. Vor allem, wenn es wie ein Wohnwagen nur zwei Räder hat und an einem Hang steht.

Das schnellere Mobil

Kurze Zeit später reihen wir uns in den boomenden Käufermarkt für neu gewonnene Campingfreunde ein. "Wohnwagen oder Wohnmobil", fragt der Händler. Wir haben keine Ahnung. "Na, dann seid ihr noch ganz am Anfang", winkt er ab.

Wir lernen, dass Wohnwagen eher länger an einem Ort bleiben und Wohnmobile überwiegend kleiner, aber eben mobiler und schneller sind, weil man sie nicht abkoppeln muss. Der Wohnwagen ist preislich erheblich günstiger, er hat ja keinen eigenen Motor, dafür hat man immer sein gewohntes Auto dabei. Allerdings ist der Wohnwagen erheblich langsamer als das Wohnmobil, denn als Gespann unterliegt er Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wir entscheiden uns für das schnellere Wohnmobil, da wir den Platz öfter wechseln und auch unsere hilfebedürftigen Eltern aufsuchen wollen, falls die Hotels wieder geschlossen sind. Jetzt aber wollen wir noch ganz schnell mit unserem rollenden Zuhause in den Urlaub. Die Anmeldung in Berlin dauert sechs Wochen. Mindestens. Wir üben uns in Geduld.

Als die Sommerferien fast vorbei sind, kommen wir doch noch los. Hochmotiviert richten wir das Fahrzeug an einem schönen Platz in Münster aus, beachten dabei ausgiebig den Sonnenstand und den schiefen Untergrund, legen das Stromkabel, räumen unsere Siebensachen aus und stellen dann fest, dass wir noch kein Wasser haben. Also alles wieder zurück auf Start. Einpacken, zum Eingang fahren, Wasser tanken, zurückfahren, neu einparken, auspacken.

Nun aber knurrt uns der Magen und ich will kochen. Doch noch immer fließt kein Wasser. Irgendwo brummt es nur. Die Pumpe arbeitet also. Dann aber rinnt Wasser über meine Füße und fließt als munterer Bach durch die geöffnete Eingangstür. Die Nachbarn gegenüber drehen sich dezent weg.

Wir begeben uns auf Spurensuche und finden heraus, dass sich bei der Fahrt der Deckel vom Frischwassertank gelöst hat. Dadurch hat sich die Tauchpumpe gelockert und das Wasser aus dem Gefäß und unter den Tisch gespült. Ich notiere in meinem roten ver.di-Buch: Ab und zu alles auf Festigkeit prüfen, was sich bei der Fahrt durch Ruckeln lösen kann.

Im Oktober fahren wir ein letztes Mal bevor der Winter naht. Es geht an die Ostsee nach Mönkebude. Wieder meint es die Sonne gut mit uns, wir springen im Stettiner Haff sogar noch mal ins Meer. Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer, es schmeckt hier nach Salzwasser, spült Sandkörner zwischen unsere Zehen und malt nachts die Milchstraße an den blinkenden Himmel. Campen ist gar nicht so schwer.

Die nächste Saison

Bis zur nächsten Saison 2021 finden wir zum Glück ein paar Dinge heraus, die wir besser nicht falsch machen. Für so etwas gibt es einschlägige Foren im Internet oder Bücher. Zum Beispiel sollte man nicht über die Kabeltrommel fahren. Danke für den Tipp. Wir haben auch gelernt, dass wir alles Wasser über den Winter ablassen müssen, sonst gibt es wirklich schwere Frostschäden und nichts ist mehr dicht.

Zudem ist es sinnvoll, vor jeder Abfahrt das Abwasser, auch Grauwasser genannt, an vorgesehener Stelle abzulassen. Sonst schwappt die Brühe während der Fahrt hoch und der üble Gestank dringt über die Ausgüsse in die Kabine – haben wir leider selbst ausprobiert.

Für manches braucht man auch schnelle Hilfe. Als wir vor einer Abfahrt in diesem Jahr einen kleinen Ölfleck auf der Straße entdecken, steuern wir direkt unseren Händler an. Der hat aber schon geschlossen und wir müssen im Gewerbegebiet übernachten. Natürlich mit einer Schüssel unterm Motor zum Auffangen der Öltropfen.

Am nächsten Tag kommen die ersten Arbeiter schon in aller Frühe vorbei. "Kiek mal, jetzt stehen die schon hier bei uns rum", sagt einer. Ich drehe mich auf die andere Seite und notiere im Geiste in mein Notizbuch: Im Gewerbegebiet immer ganz nach hinten stellen.

10 wertvolle Tipps

1. Kontrollgang: Vor der Abfahrt prüfen, ob alle Fenster geschlossen sind, auch das im Badezimmer, ob das Gas abgedreht ist und die Kabeltrommel nicht mehr im Weg liegt.

2. Frischwasser: Sich auf den Handrücken schreiben (nicht ganz ernst gemeint), erst den Wassertank zu füllen und dann auf den Platz zu fahren (ernst gemeint). Im Winter alles Frischwasser aus den Leitungen und Tanks lassen, Leitungen öffnen.

3. Kochen: Einen kleinen Grill mitnehmen oder eine mobile Kochplatte für draußen.

4. Schönste Plätze: Die Nummern der Plätze aufschreiben, die einem am besten gefallen, falls man mal wiederkommen will.

5. Bezahlung: Vor der Anreise erkundigen, ob bar bezahlt werden muss. Das ist oft der Fall.

6. Naturschutz: Wenn das Frischwasser mit Micropur oder ähnlichem haltbar gemacht wird, niemals Wasserreste in die Büsche kippen, auch keine sauberen. Menschen dürfen das trinken, für Wasserorganismen ist das meist giftig.

7. Materialschutz: Nicht das kochende Nudelwasser in die Spüle gießen; die empfindlichen Leitungen und Dichtungen könnten kaputt gehen. Das Wasser vorher mit kaltem Wasser runterkühlen oder in einen anderen Topf umgießen.

8. Kühlschrank: Wenn das Fahrzeug tagelang ohne Strom- oder Gasbetrieb steht, den Kühlschrank leeren und zum Trocknen öffnen, sonst schimmelt er.

9. WC: Recyceltes Toilettenpapier nehmen, anstatt das teure Spezialpapier, und es in einem Hundehaufenbeutel sammeln, so verstopft die Toilette nicht.

10. Merkzettel: Listen schreiben, was alles mit in den Urlaub muss, wie die Technik funktioniert, was zum Kontrollgang dazugehört und welche Campingplätze die schönsten sind.