Ausgabe 08/2021
Fonds ohne Reinheitsgebot
Klimaschutz ist angesagt. Kein Wunder also, dass jetzt auch die Finanzindustrie neue Produkte auf den Markt wirft, die der Kundschaft ein wohliges Gefühl vermitteln sollen: Ich verdiene mein Geld mit sauberen Anlagen. In Hochglanzbroschüren bedient sie die Sehnsucht mit Bildern von Kindern, die unter blauem Himmel über satte Wiesen toben. Doch Begriffe wie "nachhaltig", "ethisch" oder "klimafreundlich" sind weder geschützt noch klar definiert – und so dürfte vieles, was im Angebot ist, kaum oder gar nicht zu einer besseren Welt beitragen.
Unabhängige Kontrollen fehlen
Mitte der 1990er Jahre legte der Finanzdienstleister Ökoworld die ersten Aktienfonds auf, die nicht allein auf hohe Renditen abzielten. Inzwischen verzeichnet die Datenbank von Finanztest über 1.000 ESG-Angebote. Die Abkürzung steht für Environmental Social Governance – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Bei näherer Betrachtung erweist sich vieles davon allerdings als sogenanntes Greenwashing: Längst nicht alle Siegel und Standards werden unabhängig kontrolliert, sind so rein und grün, wie sie behaupten zu sein. So enthalten eine ganze Reihe angeblicher Nachhaltigkeits-Fonds Aktien von Öl- und Gaskonzernen. Auch Kohleverstromung ist bei vielen keineswegs ausgeschlossen.
Das Argument dafür lautet dann häufig: Als Vertretung vieler Geldgeber*innen könne man Druck auf die Unternehmensleitungen in Richtung Nachhaltigkeit ausüben. Doch tatsächlich reicht die jeweilige Aktienmenge in der Regel nicht aus, um die Konzernmanager auch nur ein bisschen zum Nachdenken zu bringen.
Wissenschaftler*innen der Universität Zürich halten das Ganze für Augenwischerei: Wer an der Börse Aktien von einem nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen kauft, unterstützt die Firma damit allenfalls indirekt, weil steigende Kurse sich günstig auf Kreditkonditionen und das Image auswirken. Das investierte Geld fließt aber keineswegs direkt an das Unternehmen, sondern steigert erst einmal das Vermögen der Aktienverkaufenden.
Klima-Killer-Unternehmen
Anders ist die Lage, wenn eine Firma neue Anteilsscheine ausgibt – wie der saudische Ölkonzern Aramco vor zwei Jahren. Lediglich 1,5 Prozent der Firma wurden damals privatisiert und dafür flossen über 23 Milliarden Euro in die Unternehmenskasse. Offenbar gehen Finanzinvestor*innen davon aus, dass das Klima-Killer-Unternehmen noch eine große Zukunft hat.
Auch die Kohle-Industrie hat seit 2016 mehr finanzielle Unterstützung von Banken, Investmentfonds und Vermögensverwaltungen bekommen als vorher, wie eine Recherche von Urgewald und drei anderen internationalen Klimaschutz-Initiativen belegen. Führend mit dabei: Commerzbank, Deutsche Bank und die Allianz. Zwar behaupten sie wie viele andere, das Pariser Klimaschutzabkommen sehr ernst zu nehmen. Doch nur ein Bruchteil der Finanzinstitute hat wirkungsvolle Richtlinien eingeführt, wie allein ein Blick in die Datenbank "Coal Policy Tool" zeigt.
Die US-Börsenaufsicht ermittelt inzwischen wegen Etikettenschwindels gegen ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank, berichtet das Wallstreet Journal. Auch die EU-Kommission verlangt seit März ein bisschen mehr Transparenz, was sich tatsächlich unter den vielen grünen Mäntelchen verbirgt. Dass sie sich dabei ausgerechnet vom weltgrößten Geldverwalter BlackRock beraten lässt, erscheint weder zielführend noch vertrauenserweckend. Im August hat dann auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin einen Entwurf für neue Regeln vorgelegt. "Wo ESG draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein", begründet Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch den Vorstoß. Ob die neue Bundesregierung das auch so sieht, wird sich bald zeigen.
Was die Politik tun kann
Im Prinzip haben staatliche Stellen starke Hebel, um die Finanzindustrie in Richtung Klimaschutz zu drängen. So entschied das norwegische Parlament schon vor Jahren, dass der staatliche Pensionsfonds sein Geld aus Öl- und Kohlefirmen abzieht. Solche Umschichtungen im großen Stil tun Konzernen weh, weil sie öffentlich als Dreckschleudern dastehen und der Aktienkurs sinkt, was eine Refinanzierung durch Kredite oder Neuemissionen schwieriger macht. Auch einige deutsche Kommunen wie Freiburg, Göttingen, Bremen und Berlin haben "divested".
Dagegen ist die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), der die Altersvorsorge für die fünf Millionen Angestellten im Öffentlichen Dienst managt, eine Blackbox. Die VBL behauptet zwar, bei der Anlage von 38,5 Milliarden Euro Nachhaltigkeitskriterien anzuwenden. "Geht man diesen Kriterien aber auf den Grund, entpuppen sie sich als völlig unzureichend, und der Vorwurf des Greenwashings liegt nahe", sagt Gerhard Schick, Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende. Für den ehemaligen Bundestagsabgeordneten sind grundlegende Änderungen nötig. Heute sei der Finanzmarkt im Vergleich zur Realwirtschaft viel zu groß. Um die Ökonomie ökologisch tragfähig und sozial gerechter zu machen, müsse der Finanzsektor massiv schrumpfen.
Wie man grün anlegt
Was können Privatmenschen tun, denen die Zukunft der Enkel tatsächlich am Herzen liegt und die ihr Geld entsprechend anlegen wollen? Auch sie haben die Möglichkeit, sich von allen Anlagen zu trennen, die die Fossilindustrie unterstützen. Finanztest hat vier Aktienfonds gefunden, die tatsächlich mit strengen sozial-ökologischen Kriterien arbeiten.
Zudem existieren einige ethische Geldinstitute. Die größte in Deutschland ist die GLS-Bank, die sehr transparent arbeitet. Die Sparguthaben der 300.000 Kund*innen werden zum Teil als Kredite ausgegeben für den Kauf von Äckern oder den Bau von Solaranlagen. Den Rest legt das Geldhaus nach Kriterien an, die ein Beirat entwickelt. Darin sitzen auch Expert*innen von umwelt- und entwicklungspolitischen Organisationen – und wenn die Zweifel an bestimmten Investitionen äußern, lassen die GLS-Banker*innen die Finger davon. Möglich ist es auch, grüne Staatsanleihen zu zeichnen. Dann fließt das Geld beispielsweise in Radwege oder die Infrastruktur für E-Autos. Wovon die Expert*innen von Finanztest dagegen abraten sind geschlossene Ökofonds, weil ein Totalverlust dabei nicht auszuschließen ist.
Wem es nicht auf eine Mehrung seiner Finanzen, sondern allein auf eine bessere Zukunft ankommt, der kann auch beispielsweise in eine Regionalwert AG investieren. Die beteiligen sich an Öko-Landwirtschaftsbetrieben und ihren Abnehmern. Der Gewinn besteht nicht in Geld, sondern in der Teilhabe an einem Produktionssystem, das Böden gut behandelt, die Biodiversität fördert und zum Klimaschutz beiträgt. Das füllt dann zwar nicht das eigene Bankkonto, fördert aber eine gute Zukunft in der Region. Die Investoren können dann mit eigenen Augen sehen, was mit Hilfe ihres Geldes wächst.
Spezial-Editorial: Eine Branche im Wandel
Seit 2000 wurden in der Bankenbranche über 200.000 Stellen abgebaut. Abgesehen von den Jahren der Finanzmarktkrise 2008/2009 fahren die Banken in Deutschland satte Gewinne ein. Oft zu Lasten der Beschäftigten, die unter großem Druck arbeiten, damit die Bilanzen am Ende des Jahres stimmen. Aber auch zu Lasten vieler Kund*innen, die nicht immer durchblicken, wo ihre Gelder angelegt werden. Oder, wenn sie bereits älter und dem Online-Banking nicht gewachsen sind, keine Filiale mehr in ihrer Nähe haben. Wir haben uns die Branche im Wandel angesehen und mit den Beschäftigen gesprochen (Seiten F4-F5). Es ist auch ein Blick in eine sich wandelnde Arbeitswelt.