Ein Spionageskandal beschäftigt Politik und Gewerkschaften in Argentinien. Ende Dezember legte der argentinische Nachrichtendienst AFI einem Gericht Videoaufnahmen eines Treffens in La Plata, der Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, vom Juni 2017 vor. Zu sehen ist in der Aufzeichnung, wie hochrangige Politiker der damals regierenden konservativen Parteienkoalition von Präsident Mauricio Macri (2015-19) beschließen, falsche Beweise gegen Gewerkschaftsführer zu erfinden. Anwesend sind Politiker, Geheimdienstmitarbeiter und lokale Bauunter- nehmer, denen der ehemalige Arbeitsminister der Provinz Buenos Aires, Marcelo Villegas, das geplante Vorgehen beschreibt: "Wenn man die Arbeiten einstellt, wird die Gewerkschaft reagieren, wir filmen sie, und der gerichtliche Teil ist geregelt." An einer anderen Stelle sagt er: "Wenn ich die Gestapo hätte, um der Arbeit der Gewerkschaften ein Ende zu setzen, würde ich es tun."

Später wurden tatsächlich Verfahren gegen Gewerkschaftsführer inszeniert. Drei Monate nach dem Treffen wurde der Chef der Bauarbeitergewerkschaft UOCRA in La Plata, Juan Pablo Medina, verhaftet. Über andere Gewerkschaftsführer wurden Geheimdienstberichte angefertigt und sogar deren Kinder und Enkelkinder ins Visier genommen. Alles ohne Gerichtsbeschluss.

Gewerkschaften kündigen Klagen an

Vertreter der Gewerkschaftsdachverbände CGT und CTA prangern jetzt "einen systematischen Plan zur Zerstörung" ihrer Organisationen an. Sie machen Macri und Ex-Gouverneurin María Eugenia Vidal als Vorgesetzte von Villegas als Hauptverantwortliche aus und fordern ein Eingreifen der Justiz. "Vidal war politisch verantwortlich und auf nationaler Ebene Macri", sagte Pablo Moyano von der CGT-Spitze. Er kündigte Klagen "vor der nationalen und internationalen Justiz" an.

Die angegriffene Vidal dagegen spricht von einem konstruierten Fall. "Wir sollten keine Opfer erfinden, wo es Verbrecher gibt, und wir sollten keine juristische oder politische Verfolgung erfinden, wo es keine gab", sagte sie dem Fernsehsender TN. Das Video sei illegal gefilmt worden und damit kein Beweismittel. Argentiniens Präsident Alberto Fernández jedoch sieht in den Aufnahmen einen Missbrauch "von enormer institutioneller Schwere" belegt. "Sie zeigen nicht nur, dass hochrangige Staatsbeamte an der Verfolgung von Gewerkschaftern beteiligt sind, sondern auch ein System der internen Spionage innerhalb der Regierung von Mauricio Macri."

Die nutzte den Staatsapparat, um sich gegenseitig und ihre Gegner zu bespitzeln. Bereits in der Vergangenheit war ein Netzwerk von Spionage und Erpressung von Richtern, Staatsanwälten, Journalisten und Medien aufgedeckt worden, an dem Geheimdienst- und Sicherheitsbeamte beteiligt waren. Für den Macrismo war systematische Spionage ein Instrument der politischen Kontrolle, um enorme Tariferhöhungen und die Schließung von Unternehmen durchzusetzen und die steigende Arbeitslosigkeit und die gewaltige Staatsverschuldung zu vertuschen.

Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaften? Waren nie nach dem Geschmack von Macri, der während seiner vierjährigen Amtszeit eine Politik der Schikanen, Entlassungen und Flexibilisierungsversuche verfolgte. Das nun öffentlich gewordene Video ist nur ein weiterer, eindrücklicher Beleg dafür, wie Vidals Amtsnachfolger als Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Axel Kicillof, findet: "Es ist eine Sache, es sich vorzustellen, und eine andere, es zu sehen. Drei AFI-Agenten, zwei Minister und ein stellvertretender Minister sprechen darüber, einen Fall zu konstruieren, jemanden ins Gefängnis zu bringen, weil sie bereits Absprachen mit Zeugen, Richtern und Staatsanwälten getroffen haben. Die einzigen Vergleiche, die man ziehen kann, sind die mit den dunkelsten Momenten der Geschichte unseres Landes, als es noch keine Demokratie gab."

Andreas Knobloch