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Dariush Beigui, Binnenschiffer und SeenotretterFoto: Paul Lovis Wagner

Seit langem engagiert sich der Hamburger Binnenschiffer Dariush Beigui für die Seenotrettung. Er ist ver.di-Mitglied und war bei vielen Einsätzen im Mittelmeer dabei, hat Ertrunkene gesehen, für die die Hilfe zu spät kam, und hat Geflüchteten das Leben gerettet, sie an Land gebracht. Jetzt muss er sich dafür in Italien vor Gericht verantworten.

"Beihilfe zur illegalen Einwanderung" lautet der Vorwurf der sizilianischen Staatsanwaltschaft. Angeklagt sind 21 Menschen aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGO), die Vorwürfe beziehen sich auf Rettungseinsätze zwischen 2016 und 2019.

ver.di publik – Was wirft euch die Staatsanwaltschaft vor?

Dariush Beigui – Die Staatsanwaltschaft Trapani wirft uns vor, wir hätten mit Schleppern zusammengearbeitet. Außerdem würde sie gerne ein Narrativ ändern. Sie behaupten, die Boote seien gar nicht in Seenot. Beides ist falsch und zumindest letzteres auch sehr gefährlich, denn sie versuchen so – meiner Meinung nach – ihr eigenes Nichthandeln zu legitimieren. Für uns ist dieser Prozess, bis jetzt, hauptsächlich nervig. Er kostet Zeit, Energie und Geld. Für die Menschen auf der Flucht bedeutet die Kriminalisierung von Seenotrettungsinitiativen und das Festsetzen von Schiffen, dass die Wahrscheinlichkeit zu ertrinken weiter steigt. Denn immer wieder gibt es Tage und Wochen, in denen kein Rettungsschiff im Mittelmeer unterwegs ist.

Was sagt Du zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft?

Die Vorwürfe sind haltlos. Unser Prozess ist ein politischer Schauprozess. Einerseits geht es darum, Menschen abzuschrecken, die sich vielleicht engagieren wollen, andererseits schafft der Prozess eins: Es wird über uns geredet, anstatt über die, die eigentlich Thema sein sollten: die Menschen auf der Flucht, die Zustände in libyschen Lagern, die Fluchtursachen und die tausenden, die unbeachtet in europäischen Gefängnissen sitzen.

Dir drohen bis zu zwanzig Jahre Haft und eine Geldstrafe von 11.000 Euro für jede*n Gerettete*n. Wie gehst Du damit um?

Ich versuche, den Prozess zu nutzen, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf die zu lenken, die sonst eben kaum welche bekommen. Immer noch sind fast täglich Boote in Seenot, auf der Balkanroute hungern und erfrieren Menschen, in europäischen Lagern sind die Zustände katastrophal und in libyschen noch viel, viel schlimmer.

Unser Fall könnte zum Präzedenzfall werden, ob es in Europa erlaubt ist sich solidarisch mit Menschen in Not zu verhalten oder ob dafür Prozesse und Haftstrafen drohen."

Was erwartest Du von ver.di?

Ich erwarte von der Gewerkschaft und ihren Mitgliedern dasselbe wie von jedem Menschen mit ein bisschen Anstand: sich solidarisch zu zeigen mit Menschen auf der Flucht. Empathie zeigen für Menschen in Not. Laut und entschlossen die Stimme zu erheben, wenn Menschen rassistisch reden, egal ob im Betrieb, auf Familienfeiern oder auf der Straße. Engagiert euch, organisiert euch."

Forum am 1. Mai

ver.di HH plant, dem Hamburger Binnenschiffer am Anfang der 1. Mai – Demonstration 2022 auf einem Lautsprecherwagen ein Forum zu bieten, über den Prozess, die Umstände und den aktuellen Stand zu berichten.

ver.di Hamburg solidarisiert sich mit Dariush Beigui und sichert ihm Unterstützung zu.