Die polarisierende Pandemie – In der Covid-19-Pandemie hat sich die soziale Ungleichheit weltweit verschärft. Das war auch hierzulande so. Der Armutsforscher Christoph Butterwegge hat die Folgen der Pandemie untersucht. Als Einstieg in sein neues Buch gibt Butterwegge einen historischen Überblick über vergangene Seuchen wie die Pest, Cholera, Pocken und Masern bis hin zur Spanischen Grippe, SARS und MERS.

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Seit dem frühen 19. Jahrhundert gehören Schutzimpfungen zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen. Doch wie zuletzt bei Covid-19 waren sie begleitet von Impfangst bis hin zur Impfverweigerung. Akribisch sichtet der Forscher die Maßnahmen während der aktuellen Pandemie, die immer wieder angepassten und komplizierten Regeln, die Schwierigkeiten bei den Test- und Impfkapazitäten und schließlich die Konflikte um eine Impfpflicht.

Ein wesentliches Kapitel widmet er den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verwerfungen. Butterwegge macht deutlich, die Covid-19-Pandemie polarisiert und vertieft vorhandene Gräben zwischen den Bevölkerungsschichten. Besonders für arme Gruppen wirkten sich alte Versäumnisse der Politik nachteilig aus, wie etwa jahrelange Jobbefristungen für Berufseinsteiger*innen, ein stetig gesunkenes Rentenniveau, die Zunahme von Minijobs, steigende Mieten und Immobilienpreise.

Ärmere Menschen sind zudem größeren Ansteckungsrisiken ausgesetzt, da sie häufiger in Berufen mit Kontakt zu Menschen arbeiten (Handel, Pflege, Friseur*innen etc.). Beengte Wohnverhältnisse tragen einen weiteren Teil bei, insbesondere in Gemeinschaftsunterkünften. Diejenigen, die bereits am Rande der Armut leben, rutschen schneller in Notlagen, beispielsweise durch Minijobs, Befristungen oder in Kleinbetrieben. Frauen wurden durch die Pandemie stärker belastet, unter anderem weil sie häufiger in Krisenbranchen arbeiten, aber auch wegen verstärkter Sorgearbeit, Senior*innen durch ihre höhere Verwundbarkeit und Isolation, Lehrkräfte und Schüler*innen und insgesamt Familien etwa durch Hort- und Schulschließungen. Zu den Gewinnern der Krise gehörten vor allem Lebensmitteldiscounter, Pharma und Versandhandel.

Nun gelte es die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen, ansonsten gefährde die wachsende Ungleichheit den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Butterwegge beleuchtet dazu Lösungswege, wie etwa Chancengleichheit im Bildungssystem. Eine Bürgerversicherung solle gezielt allen Bedürftigen helfen und dafür sorgen, dass sich privilegierte Personengruppen nicht ihrer Verantwortung für sozial Benachteiligte entziehen können.

Marion Lühring

CHRISTOPH BUTTERWEGGE: DIE POLARISIERENDE PANDEMIE. DEUTSCHLAND NACH CORONA. VERLAGSGRUPPE BELTZ, WEINHEIM, 250 S., ISBN 978-3-7799-6780-4, 19,95 €