Ausgabe 05/2022
Eine Geschichte mit Happy End
Das ist historisch: Der erste Tarifvertrag (TV) in der Geschichte der Leipziger Messe (LM) ist seit dem 1. Juli 2022 in Kraft. Mehr als zehn Jahre hatten engagierte Beschäftigte mit Hilfe von ver.di um verlässliche Rahmenbedingungen bei der Messegesellschaft gerungen, in fast sechs Jahren mehr als 30 Verhandlungsrunden durchgestanden. Die Betriebsratsvorsitzende Kerstin Falkowski-Tollert und ihr Stellvertreter Frank Hercher waren von Anbeginn die treibenden Kräfte des Prozesses. Gemeinsam mit der ehemaligen ver.di-Fachbereichssekretärin Christel Tempel schauen die beiden zurück auf den langen Weg zu ihrem Tarifvertrag.
Beim ver.di-Bundeskongress 2011, der auf dem Messegelände in Leipzig stattfand, war erstmals die Frage nach Arbeitsbedingungen für die Messe-Beschäftigten aufgekommen. Es dauerte aber noch vier Jahre, bis Bewegung in die Sache kam: Den Startschuss bildete eine Info-Veranstaltung zum Thema TV während des nächsten ver.di-Kongresses. Danach entschieden sich viele Beschäftigte für ver.di und schon am 9. November 2015 wurde eine Tarifkommission gewählt. "Wie viele Jahre wir mit der Geschäftsführung ringen würden, ahnte damals zum Glück niemand", sagt Kerstin, die von Anbeginn überzeugt gewesen ist, dass ein Tarifvertrag der einzig mögliche Weg zu guten, verlässlichen Arbeitsbedingungen sein würde.
Verhandlungen über etliche Jahre
Und noch einmal vergingen fast zwei Jahre, bis die erste Verhandlung am 27. April 2018 stattfand. Ihr sollten über 30 weitere folgen, ehe das Tarifwerk unter Dach und Fach war.
Kerstin bezeichnet sich selbst als "Messe-Kind", gehört seit 1987 zur Belegschaft und ist neben ihrer Betriebsratsarbeit in der Abteilung IT-Infrastruktur und Veranstaltungsservice (ITV) tätig. Sie fand es ungehörig, dass ein öffentliches Unternehmen, dessen Gesellschafter tarifiert sind, selbst ohne Tarifvertrag dasteht: "Ich musste einfach weitermachen oder hätte ganz weggehen müssen. Aber das wollte ich nie."
Nie ans Aufgeben gedacht
Frank Hercher, ihr Stellvertreter, ist bereits seit seinem Ausbildungsbeginn 1984 bei der Messe Leipzig. Aktuell ist er zu 20 Prozent für die Betriebsratsarbeit freigestellt und arbeitet in der übrigen Zeit in der Leitzentrale. Frank sagt: "Ich habe nie an Aufgeben gedacht, denn Hindernisse stacheln mich eher an. Und unsere ver.di-Mitglieder stehen immer hinter uns und haben volles Vertrauen in unsere Arbeit. Ohne sie hätten wir das alles nicht geschafft."
Im Oktober 2018 übernahmen ver.di-Landesleiter Oliver Greie und seine Stellvertreterin Ines Kuche die Verhandlungsführung. Auch der Druck der Messe-Gesellschafter – die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen – wurde größer. Der Durchbruch war im Oktober 2020 geschafft, beide Seiten waren sich schon einig. Doch dann kam die Corona-Pandemie, das Messegeschäft brach völlig zusammen und alles lag wieder auf Eis. Fast ein dreiviertel Jahr verging, ehe man sich wieder am Verhandlungstisch traf. Dann aber ging es zügig voran und Anfang März 2022 wurde ein Corona-TV abgeschlossen.
Am 10. Juni 2022 folgte das historische Ereignis – die Unterzeichnung des Tarifvertragswerks im Congress-Center der Leipziger Messe, nachdem auch die ver.di-Tarifkommission und die ver.di-Mitgliederversammlung mehrheitlich dafür gestimmt hatten.
Verlässlicher Rahmen für alle gibt Sicherheit
Große Entgeltzuwächse hat dieser erste LM-TV niemandem gebracht, denn die Umstellung musste aufgrund der wirtschaftlichen Lage kostenneutral erfolgen. Der große Gewinn für die Messe-Belegschaft ist hingegen, dass es nun einen zuverlässlichen und für alle gültigen Rahmen gibt.
In zwei Jahren wird das Team um Kerstin und Frank erneut in Verhandlungen mit der Messe-Geschäftsführung einsteigen. Bis dahin, so hoffen sie, sind noch viele weitere Beschäftigte in ver.di eingetreten und stärken die Verhandlungsmacht der Belegschaft. Und dann soll auch mehr Geld drin sein.