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Oliver Berg/dpa

Titel "Zusammenhalten!", ver.di publik 5_2022

Während es der Regierung weiterhin nicht gelingt, die Preisspirale zu stoppen, nehmen die Belastungen für uns Kolleginnen und Kollegen stetig zu und erreichen teils existenzielle Ausmaße. Es ist daher folgerichtig, dass wir als ver.di nun um Unterstützung für einen Aufruf zur Umverteilung der Krisenlasten werben.

Dies kann aber nur der Anfang sein!

Über 150 Jahre Arbeiterbewegung haben uns doch gelehrt, dass dominierende Kapitalinteressen eher nicht durch symbolische Aktionen einknickten, sondern dass es auf den massiven Widerstand auf der Straße ankam. Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesvorstands, wann kommt hier der Aufruf zur ersten Großdemonstration?

Nur so werden die Spekulanten und Politiker, die nicht entschlossen eingreifen, tatsächlich einen "heißen Herbst" erleben.

Dave Varghese, Unna

Gesellschaftliche Solidarität einzufordern fällt bei den gewerkschaftlich organisierten Lohnabhängigen sicherlich auf fruchtbaren Boden. Wer hier aber diese zwar lauthals einfordert, aber faktisch darauf pfeift, kann man an der Debatte um die "Übergewinnsteuer" exemplarisch nachvollziehen. Die Gesellschaft ist nicht so homogen, wie es die Autorin anscheinend gerne hätte, deshalb muss auch ein formuliertes "Wir" immer differenziert betrachtet werden.

Falk Prahl, Frankfurt/Main

Richtig! Zusammenhalten ist ein Merkmal einer freien, sozialen und demokratischen Gesellschaft. Das unterstütze ich sehr. Die zweite Überschrift "Solidarisch in der Krise – Die Starken können und müssen jetzt mehr Lasten tragen als die Schwachen" erregt allerdings heftigen Widerspruch bei mir. Wer, bitte schön, sind die "Starken" und wer die "Schwachen"? Die Begrifflichkeiten erinnern mich an die unsäglichen Stigmatisierungen des ärmeren Teils der Bevölkerung als "sozial schwach". Wer sagt, dass Menschen, die Glück hatten, wohlhabend oder sogar reich zu sein bzw. zu werden, weniger sozial schwach sind? Beispielsweise diejenigen, die andere Menschen für sich unter übelsten Bedingungen ausbeuten und anschließend über sogenannte "Steuersparmodelle" unserem Staat viel Geld vorenthalten? Wer sagt, dass diejenigen, die nicht in wohlhabende Familien geboren wurden, als Migrant*innen oft nur den Mindestlohn erhalten oder durch sonstige unterschiedliche Faktoren "abgerutscht" und nunmehr arm sind, schwächer sind? Menschen mit wenig Einkommen haben oft Multiproblemlagen zu bewältigen und zeigen dabei oft erstaunlich hohe Resilienz und Solidarität untereinander. Ich bitte darum, zukünftig anstelle von "stark" und "schwach", lieber reich und arm zu verwenden.

Johannes Schopp, per E-Mail

Im Untertitel des Artikels heißt es "Die Starken können und müssen jetzt mehr Lasten tragen als die Schwächeren". Dieses Bild ist schon immer schräg und falsch!

War da jemand im Fitnessstudio oder ist mit stärkeren Muskeln auf die Welt gekommen?

Geht es um den Umzug und darum, wer die schweren Kisten trägt? Nein! Die "Stärkeren", also jene mit mehr Einkommen und Vermögen, sind nicht öfter ins Fitnessstudio gegangen oder von der Natur begünstigt, den "Schwächeren" fehlt es in der sozial gespaltenen Gesellschaft nur an Durchsetzungskraft. Es geht nicht um (immer freiwillige) Solidarität, sondern um ein wenig mehr Gerechtigkeit! Der verständliche Appell an die "Solidarität" der "Stärkeren" stellt die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums nicht wirklich in Frage, sondern appelliert: "Ach bitte, liebe einkommensstarke Menschen, zeigt Euch doch bitte 'solidarisch'". Solidarisch ist es, sich an die Seite derer zu stellen, die für eine angemessenere und gerechtere Verteilung von Einkommen, Vermögen und gesellschaftlichen Chancen eintreten und dafür, die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen und umzukehren.

Peter Herholtz, Ahrensburg

Danke für den Aufmacher. Der Tarifkampf ist unser Hauptinstrument, unsere massiven Verluste zu dämpfen, während die Kurse bei DAX-Konzernen durch die Decke schießen. Für einige Wenige ist der Krieg ein großes Geschäft. Sie bestimmen die Leitlinien der Ampel-Politik, je länger der Ukrainekrieg andauert. Für die große Mehrheit ist jede gelieferte Waffe und jede neue Wirtschaftssanktion ein Schuss ins eigene Knie. Der Krieg wird verlängert, es sterben mehr Menschen in der Ukraine und unser Land wird ruiniert zu Gunsten von US-LNG-Importen. Wir abhängig Beschäftigten bezahlen den Wirtschaftskrieg und die Hochrüstung für den heißen Krieg. Friedens- und Gewerkschaftsbewegung gehören zusammen: Unser friedenspolitischer Markenkern "Abrüsten statt Aufrüsten" darf nicht unter die Panzerkette geraten.

Holger Griebner, Hamburg

Kulturbeutel "Ausstellung", ver.di publik 5_2022

Danke für den Hinweis auf die Wolfsburger Ausstellung. Wie Du aber die derzeitige Außenministerin darin hochjubelst ist nicht nur ein Stilbruch, sondern überhaupt nicht nachvollziehbar. Ihre Politik reiht sich ein in die olivgrüne Kriegstreiberei von Joschkas Gnaden. Ebenso enttäuscht bin ich von den skandinavischen Ministerpräsidentinnen, die in die NATO streben. Männer könnten es nicht schlechter machen.

Klaus Mucha, ver.di, ehem. PR-Vorsitzender, per E-Mail

Thema "9-Euro-Ticket", ver.di publik 5_2022

Das 9-Euro-Ticket gib es nicht mehr. Wenn ich morgen zur Internationalen Funkausstellung unter dem Funkturm fahre, wäre ich mit dem 9-Euro-Ticket hin- und zurückgefahren. Für mich sind es fünf Stationen hin und fünf Stationen zurück. Dafür muss ich je Fahrt 2,90 bezahlen. Das finde ich zu teuer, und ich werde die Straßen wieder voller machen und fahre mit meinen Motorroller. Das wird vielen von uns so ergehen, die dann wieder mit dem Auto fahren und die Straßen voller machen. Wenn ich höre, dass es für die Zukunft ein 49-Euro oder sogar ein 69-Euro-Ticket geben soll pro Monat, werde ich dieses Ticket nicht holen, weil es mir zu teuer ist, und alles bleibt beim Alten. Deswegen wäre ich für das 1-Euro-Ticket pro Tag oder das 364 pro Jahr.

Hans-Joachim Liebheim, per E-Mail

Thema "Endspiel des fossilen Zeitalters", ver.di publik 4_2022

So lobenswert die Positionierung des Fachbereichs Ver- und Entsorgung gegen das Fracking auch ist, es fehlt nun aber doch die gleichermaßen notwendige Kritik an dem Bezug des umwelt- und klimaschädlichen Frackinggases z.B. aus den USA. Dort führt die forcierte Förderung auch zur Vergiftung weiter Landstriche und deren Bewohner.

Es kann doch nicht sein, dass wir nur uns selbst schützen wollen und ansonsten das Prinzip gilt: Nichts sehen – nichts hören – nichts sagen!

Leo Pixa, per E-Mail

Kommentar "Höhere Löhne sind das beste Rezept", ver.di publik 5_2022

Seit mehr als 50 Jahren bin ich Mitglied der ötv/ver.di, meine Frau schon fast seit 60 Jahren und unser Herz schlägt immer noch für unsere Gewerkschaft. Umso mehr schmerzt es uns, dass in der Ausgabe 5/22 der publik kein Artikel zum Ukraine-Krieg und den Sanktionen mit ihren desaströsen Auswirkungen auf das Leben der Menschen vorkommt. Wo ist der Artikel, der die Kriegstreiber und die Kriegsgewinnler an den Pranger stellt? Wo bleibt die Analyse, dass die wirkungslosen, uns schädigenden Sanktionen gegen "Putin" den brutalen Kriegsherren nur reicher gemacht haben, uns aber derzeit eine ausgewachsene Energiekrise und Teuerung beschert? Wie ideologisch verbohrt muss man da sein, dies nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen? Stattdessen lesen wir im Leitkommentar nur "Höhere Löhne sind das beste Rezept". Mehr als so einen Allgemeinplatz fällt Dierk Hirschel in dieser Katastrophe auch nicht ein.

Hartmut Wegener, per E-Mail

Leserbriefe zum Titel "Demokratie ist kein Selbstläufer", ver.di publik 4_2022

Danke für die Dokumentation der Kritik an dem Artikel zum Thema (Schein-)Demokratie in Ausgabe 3 auf der Leserbriefseite in Ausgabe 4_2022. Der Artikel las sich wirklich stellenweise wie eine Bundespräsidentenrede, und das braucht niemand. Danke auch für das Editorial in Ausgabe 4, in dem die sehr niedrige Wahlbeteiligung in Duisburg-Marxloh erwähnt wurde. Ich war noch nie in Duisburg, aber dieser Stadtteil war im Lauf der Jahre immer mal wieder in der Presse erwähnt, Stichwort Armut. Er illustriert, was an der gängigen Rede über unsere Demokratie falsch ist. Wenn so eine niedrige Wahlbeteiligung beklagt wird, sollte nicht die moralistische Interpretation folgen, die den Nicht-Wählenden einen Mangel, oder gar einen Fehler attestiert. Eine materialistische Sichtweise, der sich eine Gewerkschaft verpflichtet fühlen sollte, betrachtet die gesellschaftlichen Ursachen des Beklagten und versucht, die Leute, über die geredet wird, zu verstehen, also ihr Handeln und Denken als Folge ihres Erlebens der Welt zu sehen, was erst mal zu einer gewissen Rechtfertigung führt. Anders gesagt: Diese Leute sind nicht als dumm oder moralisch rückständig anzusehen. Es geht ja nicht um ein politisches Milieu, sondern um eine gesellschaftliche Gruppe, die gemeinsame sozialstrukturelle Merkmale hat, aus denen sich ihr Denken und Handeln erklärt. R

alf Hutter, per E-Mail