Ausgabe 06/2022
Pressestimmen
Reden gut, alles gut?
Süddeutsche Zeitung, 16. September 2022
Die Treffen der konzertierten Aktion zeigen, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammenarbeiten können, wenn es darauf ankommt. Und in diesen Monaten kommt es so sehr darauf an wie seit vielen Jahren nicht: Energiekrise und Inflation bringen viele Menschen und einige Firmen an den Rand des Abgrunds. Wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber sich in dieser Lage auch noch gegenseitig bekriegten, machten sie alles nur noch schlimmer. Also: Reden gut, alles gut? Leider nicht. Denn das Kanzleramt ist nicht der einzige Schauplatz, an dem maßgeblich darüber entschieden wird, ob Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigermaßen heil durch die verheerende Krise kommen. Ähnlich wichtig sind Orte, die nicht ganz so sehr im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit stehen. Da wären zum Beispiel Gelsenkirchen, Nürnberg oder Kornwestheim in Baden-Württemberg.
Mit Maß bitte
Augsburger Allgemeine, 13. September 2022
Die Tarifpartner stehen vor einem harten Test ihrer Krisen-Kompetenz: [...] Gewerkschaften wie Arbeitgeber müssen sich an der Hand nehmen, alles laute Getöse lassen und einen solidarischen Abschluss finden. Solidarisch heißt, dass die Unternehmer einer auch spürbaren prozentualen Lohnerhöhung zustimmen, die zumindest die hohe Inflation von derzeit knapp acht Prozent etwas ausgleicht. Die Gewerkschaften sollten aber akzeptieren, dass ein Teil der dann maßvoll steigenden Gehälter über eine Einmal-Zahlung erfolgt, also nicht dauerhaft in die Lohnkosten eingeht. Am Ende kommt es darauf an, dass der Tarifvertrag wie schon in früheren Fällen atmen kann, es also weitere Bausteine gibt, die Firmen in Not Öffnungsklauseln bieten, sie also nicht über Gebühr belasten.
Mängel eines Systems
Der Freitag, 15. September 2022
Vor dem Hintergrund der Transformation, die vor allem die starke Industriegewerkschaft trifft, sind die Anforderungen an einen langfristig sicheren Arbeitsplatz enorm gestiegen, und das erfordert eine höhere Streikbereitschaft. Ohne Konflikt wird sich diese Transformation nicht abspielen. Dazu kommt in dieser Krise der Arbeitskräftemangel, der den Gewerkschaften eigentlich in die Hände spielen müsste. Denn dort, wo es an Arbeitskraft mangelt, steigt die Verhandlungsmacht derjenigen, die sie anbieten. Streiks tun weh, das wissen auch die britischen Eisenbahner, aber sie sind manchmal notwendig, um auf die Mängel eines Systems hinzuweisen, das jahrelang Profite vor Menschen stellt. Und es könnte sich als überaus starkes Mittel erweisen, wenn nach der Metall- und Elektroindustrie im Herbst auch die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes beginnen und sich die Beschäftigten miteinander solidarisieren.
Chefkritik
Der Spiegel, 2. September 2022
Zu Beginn des Pilotenstreiks hat Ver.di-Chef Frank Werneke eine zunehmend gewerkschaftsfeindliche Stimmung bei Tarifauseinandersetzungen in der Luftverkehrsbranche beklagt. [...] Er akzeptiere Kritik an seiner eigenen Person, betonte der Ver.di-Chef. Im Rahmen des Tarifkonflikts bei der Lufthansa sei jedoch in Teilen der Öffentlichkeit versucht worden, ein Klima zu erzeugen, im dem das Grundrecht auf Streiks angegriffen worden sei. "Ich empfand es als sehr bedrückend, dass Menschen, die auf unserer Seite in dem Lufthansa-Streik Verantwortung übernommen haben, bedroht wurden", sagte der Ver.di-Chef.