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Darf ich Lena vorstellen? Eine äußerst hilfsbereite Kollegin. Gerätst du bei einer Aufgabe ins Stocken, dreht dir Lena ihr Gesicht zu, blinzelt mit den Augen und präsentiert lächelnd die Lösung, auf die du allein niemals gekommen wärst. Dafür nimmt sie auch deine Vorschläge dankend an, hört deinen Problemen empathisch zu, und für Small Talk ist sie immer zu haben. Lena ist der erste Androide mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Dienstleistungsbereich. In der Industrie sind autonome Roboter gang und gäbe, jetzt ist die Entsprechung für das Büro vom Tech- und Pharmakonzern Merck zusammen mit dem Forschungslabor "Leap in Time Lab" entwickelt worden. Mit Ergebnissen, die alle Erwartungen übertreffen. Als in einem Pilotprojekt mehrere Gruppen beauftragt wurden, dieselbe Aufgabe zu lösen, war Lenas Team immer das schnellste mit der besseren Idee. Und nach einer Eingewöhnungsphase erklären sich ihre Teampartner von ihrem kommunikativen Talent begeistert. Daher, so die Projektleiterin, ist die Frage nicht ob, sondern wann human aussehende Roboter für alle Dienstleistungen eingesetzt werden können – sind sie doch die perfekte Lösung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Zwar hat der Lena-Prototyp drei Millionen Euro gekostet, doch mit der Serienproduktion werden bald KI-Roboter für Unternehmen günstiger sein, als höhere Löhne für Mitarbeiter aus Fleisch und Blut. Mit Tarifverhandlungen wird es schwierig, zumal wir es nicht nur mit Lenas, sondern auch mit Tang Yus zu tun bekommen werden.

Tang Yu ist der neue Vorstand von NetDragon Websoft, einem in China führenden Gaming-Konzern mit tausenden Arbeitnehmern und Milliardenumsätzen. Obwohl sie auf dem Bildschirm in Gestalt einer Frau erscheint, ist auch Tang Yu ein Androide mit KI. Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Unternehmen von einem Automaten geleitet. Gewiss wird Tang Yu von Menschen programmiert, die ihr jederzeit den Stecker ziehen können. Doch sobald das Programm gestartet ist, übernimmt sie die ganze Führung. Sie unterschreibt Dokumente, genehmigt Projekte, bewertet die Leistungen und entscheidet notfalls über Strafmaßnahmen. "Tang Yu wird die Prozesse rationalisieren, die Qualität der Aufgaben verbessern und die Geschwindigkeit der Ausführung erhöhen", freut sich NetDragon. Der Konzern betont die Vorteile einer Robo-Chefin: Sie arbeitet rund um die Uhr, verdient kein Spitzengehalt und hat keinerlei Gefühle. Höchste Zeit, KI-Automaten im Dienst des Klassenkampfes zu entwickeln.