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Den kampffreudigen Druckern haben sie ihre Jobs geklaut – ihren Stolz konnten sie ihnen nicht nehmenFoto: Joachim E. Röttgers GRAFFITI

Nacht für Nacht, wenn andere schlafen, stehen sie an ihrer Druckmaschine, um die aktuellen Ausgaben der Stuttgarter Zeitung, der Stuttgarter Nachrichten, der Kreiszeitung Böblinger Bote und zuletzt auch der Eßlinger Zeitung, Cannstatter Zeitung und anderer Umlandausgaben zu drucken: die Beschäftigten der Pressehaus Stuttgart Druck GmbH und die Beschäftigten der Weiterverarbeitung (PHV Service GmbH).

Zum 31. März 2023 hat es sich allerdings ausgedruckt: Vor den Sommerferien 2022 hatte man den 258 Beschäftigten der Zeitungsdruckereien in Stuttgart-Möhringen und von Bechtle Verlag & Druck in Esslingen a. N. mitgeteilt, dass beide Druckstandorte geschlossen und damit allen Beschäftigten gekündigt würde, eine Sozialauswahl finde nicht statt.

Asoziale Sauerei

Betriebsratsvorsitzender Samir Alicic sagte bei der anschließenden Protestkundgebung, das sei der "tiefste Schlag" in seinen 35 Jahren in diesem Unternehmen. Harald Pürzel, Konzernbetriebsratsvorsitzender der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), zu der die Zeitungsgruppe Stuttgart neben der Süddeutschen Zeitung gehört, geißelt eine "asoziale Personalpolitik", ver.di-Sekretär Uwe Kreft nennt es schlicht "eine Sauerei". Aus Sicht des Konzerns sind die Druckhäuser zu groß, zu alt, zu teuer, und damit sei "ein Abbau von Arbeitsplätzen unabdingbar". Die strategische Konzernausrichtung weg vom gedruckten Papier und hin zum Digital-Abo tut ihr Übriges.

Zur "Beruhigung" hat die Konzerngeschäftsführung noch mitgeteilt, dass 55 Festangestellten und ungefähr 100 Aushilfen ein Platz in einer neuen Gesellschaft angeboten werde. Sie heißt MHS Print GmbH und ist eine Tochter der Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft, die wiederum eine Tochter der SWMH ist. Die Realität dort sieht so aus: Die MHS Print ist natürlich tariflos, Gekündigte können sich dort neu bewerben, erhalten aber für die gleiche Arbeit künftig bis zu 30 Prozent weniger Lohn. "Am Ende nehmen sie die", sagt ver.di-Mann Uwe Kreft, "die bereit sind, weit unter Tarifbedingungen zu arbeiten."

Die neue Druckerei mit einer 20 Millionen Euro teuren neuen Anlage soll auf dem Esslinger Gelände errichtet werden. Das sei ihre Zusage, verspricht Geschäftsführer Herbert Dachs, dass die gedruckte Zeitung "dauerhaft Teil unseres Medienhauses bleibt". Das klingt wie Hohn in den Ohren der Gekündigten.

Guter Sozialplan

In der Konsequenz wurde für die Beschäftigten der Stuttgarter Zeitungsdruckerei ein Sozialplan verhandelt. Mehr als einmal gerieten die schwierigen Verhandlungen ins Stocken, dann nahmen die Drucker*innen die Sache in die Hand. Die durch viele Streikaktionen in Tarifrunden gestählte Belegschaft hat ihre jüngste Betriebsversammlung so lange ausgedehnt, bis Andruck und Auslieferung gefährdet waren.

Als Ergebnis stehen laut ver.di-Mann Kreft "sehr gute Sozialplanbedingungen", die sich sehen lassen können, sowie eine Verhandlungseinlassung für Tarifgespräche zwischen ver.di und der MHS Print zur Regelung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer*innen ab dem 1. Januar 2025. "Somit", sagt Kreft "ist der Plan der Konzernspitze, Betriebsrat, Belegschaft und Tarifbindung loszuwerden, nur teilweise aufgegangen."