Viele Unternehmen haben mittlerweile die Rechtsform einer SE, einer europäischen Gesellschaft. Sie ermöglicht es Aktiengesellschaften, ihre Geschäfte in mehreren europäischen Ländern nach einem einheitlichen Regelwerk zu führen. Ein Vorwurf bei dieser Umwandlung ist aber, dass Unternehmen diesen Wechsel nutzen, um Mitbestimmungsrechte in ihrem Sinne zu beeinflussen. Denn bei einer solchen Umwandlung wird zwischen einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer*innen (BVG) und der Unternehmensleitung darüber verhandelt, wie die Mitbestimmung im künftigen Unternehmen, also der SE, gestaltet wird.

Jetzt haben ver.di und die IG Metall vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen juristischen Erfolg in einem solchen Fall errungen. Denn der EuGH hat Mitte Oktober festgestellt, dass auch beim Wechsel der Rechtsform eines Unternehmens die Beteiligung der Gewerkschaftsvertreter*innen im Aufsichtsrat weiterhin nationalem Recht untersteht.

In dem Verfahren ging es um das Software-Unternehmen SAP, das sich 2014 von einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht in eine SE umgewandelt hatte. Bei SAP hatten das BVG und das Unternehmen unter anderem vereinbart, dass zukünftig der eigenständige Wahlgang für die Vertreter*innen der Gewerkschaften und somit die Beteiligungsgarantie der Gewerkschaften im Aufsichtsrat wegfallen kann.

ver.di und IG Metall hielten die entsprechenden Regelungen in der Vereinbarung für nichtig. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich inhaltlich der Argumentation der beiden Gewerkschaften angeschlossen. Nach seiner Auffassung gehören die im gesonderten Wahlverfahren von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat nach dem deutschen SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) zu den prägenden Elementen der Unternehmensmitbestimmung in Deutschland, weshalb gesicherte Sitze und separate Wahlen von Gewerkschaftsvertreter*innen im Aufsichtsrat auch in der durch Umwandlung gegründeten SE sicherzustellen seien. Es sei Sache des nationalen Rechts der Mitgliedsstaaten, die wesentlichen Bestandteile der Mitbestimmung zu definieren. Genau diese Auffassung hat der EuGH mit seiner Entscheidung bestätigt.

„Die Entscheidung setzt ein deutliches Signal gegen fortschreitende Missbrauchsstrategien durch formale Umwandlung der Unternehmen“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Meister. Der EuGH bringe deutlich zum Ausdruck, dass Sitz und Stimme der Arbeitnehmer*innen und ihrer Gewerkschaften im Aufsichtsrat auch zu wahren seien, wenn Unternehmen ihre Rechtsform ändern.

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits rechtliche Verbesserungen angekündigt. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, Mitbestimmung durch Gründung einer SE auszuhebeln. Auch die sogenannte Drittelbeteiligungslücke im Konzernrecht soll geschlossen werden.

Aktenzeichen c-677/20