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Du sprichst nicht meine Sprache? Kein Problem: Internationale Verständigung wird mit immer besser werdenden Übersetzungsprogrammen leichterFOTO: KAY HERSCHELMANN

Anderes Land, andere Sprache – aber die Probleme in Alltag und Arbeitswelt sind ähnlich. Diese Erfahrung haben Ende September die rund 140 Teilnehmenden bei den Internationalen Arbeiter*innentagen gemacht. Die gewerkschaftlich Aktiven kamen aus Frankreich, Belgien, Italien, Ungarn, Österreich, Luxemburg und Deutschland nach Bussang. Der französische Ort liegt in den Vogesen, an der Grenze zum Elsass und damit zentral für die Arbeiter*innen aller Länder.

Orban dreht die Zeit zurück

Drei Tage lang tauschten sie sich aus, inhaltlicher Schwerpunkt des offiziellen Programms waren der wachsende Einfluss der extremen Rechten in der Arbeitswelt. Kai Mües, Mitglied des Gesamtpersonalrats des Landes und der Stadtgemeinde Bremen, war schockiert vom Vortrag des ungarischen Kollegen Karoly György. Der Sekretär für Internationales des ungarischen Gewerkschaftsverbands MASZSZ berichtete, wie unter der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsident Victor Orban die Rechte von Arbeitnehmer*innen massiv eingeschränkt werden.

Aber nicht nur im Arbeitsalltag Ungarns spiegle sich der wachsende rechte Einfluss wider, auch im täglichen Leben. So erzählte György etwa, dass sich ungarische Frauen vor einer Abtreibung die Herztöne ihres Kindes anhören müssen. Und auch Homophobie und Rassismus nähmen zu. "Die Intoleranz wächst. Die drehen die Zeit zurück", sagt Mües mit Rückblick auf den Vortrag. Eine Entwicklung, die nicht nur in Ungarn spürbar ist.

In vielen europäischen Ländern gewinnen rechtspopulistische Parteien an Einfluss. Jüngst haben Parlamentswahlen in Schweden und Italien zu einem starken Rechtsruck geführt.

"Und in Niedersachsen ist die AfD viertstärkste Kraft geworden", gibt Thomas Steinke, freigestellter Personalrat bei der Landeshauptstadt Hannover, mit Blick auf die Landtagswahlen Anfang Oktober zu bedenken. Deshalb sei es um so wichtiger, sich zu vernetzen und über die Probleme auszutauschen.

Doch was kann man dagegen in den Betrieben tun? "Reden", sagt Kai Mües, den Kolleg*innen ihre Ängste nehmen, sie über falsche Fakten, mit denen diese Ängste geschürt werden, aufklären und gemeinsam mit ihnen als Gewerkschaft für gute, angemessen bezahlte und vor allen Dingen sichere Arbeit kämpfen. Mües sagt: "Wir müssen sehr aufmerksam sein."

Und: Die Gewerkschafter*innen müssen auch außerhalb von Betrieben und Dienststellen Präsenz zeigen. "Wir müssen den Rechten geschlossen entgegentreten", sagt Gregor von Paczensky, Personalratsvorsitzender bei der Berliner Stadtreinigung und Vorsitzender des ver.di-Bundesarbeiter*innenausschusses. Europaweit. Dabei denkt er nicht nur an die europäischen Gewerkschaftsbünde wie den EGB, sondern auch an die Vernetzung der Beschäftigten, wie an diesen drei Tagen in Bussang. Der Austausch der Arbeiter*innen, über Ländergrenzen hinweg, findet beispielsweise an den Grenzen zu Tschechien und Polen oder Frankreich etwa mit den ver.di-Landesbezirken Sachsen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz/Saarland statt.

Nach Schengen für ein soziales Europa

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FOTO: KAY HERSCHELMANN

Beim Treffen in Bussang wurde auch deutlich, dass derzeit in allen Ländern steigende Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel für Ängste sorgen. In Deutschland habe der gewerkschaftliche Protest auf sich warten lassen in Frankreich und Österreich hätten die Gewerkschaften schon im September zu Demonstrationen aufgerufen, sagt Vanessa Trohl, Industriemechanikerin bei den Dortmunder Stadtwerken. In Bussang bekam die Industriemechanikerin in Gesprächen insbesondere am Rande der Veranstaltung mit, wie sich die steigenden Preise für die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern auswirken.

Ein Highlight für Trohl war der Beitrag der Europaparlamentarierin Özlem Alev Demirel, Die Linke. Aus erster Hand habe sie so erfahren, wie das Parlament arbeitet, wie sich Entscheidungen des Parlaments auf unseren Alltag auswirken und welche Möglichkeiten es gibt, in Europa Einfluss zu nehmen. Auch deshalb haben sich die Arbeiter*innen zu einer ersten Aktion verabredet: Am 26. November wollen sie sich bei einer Demonstration im luxemburgischen Schengen für ein soziales Europa stark machen. Zu diesem Thema haben sie sich zudem auf eine gemeinsame Abschlusserklärung verständigt.

Viele haben sich bei der Gelegenheit, etwa über Facebook oder WhatsApp-Gruppen, miteinander vernetzen können. "Sprachen sind sicherlich eine Hürde", sagt Gregor von Paczensky. Aber auch hier hilft die Technik der Apps mit immer besser werdenden Übersetzungsprogrammen. So könne man sich bereits vor den nächsten Internationalen Arbeiter*innen-Tagen austauschen und in Kontakt bleiben.