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Der erste gewählte Betriebsrat im Ue&G: Juna Jane, Frank und PatriciaFoto: dennis

Der graue Bunker am Heiligengeistfeld hat dicke Mauern – über die Arbeitsbedingungen drinnen im angesagten Club Uebel & Gefährlich (Ue&G) im vierten Stock drang bisher wenig nach draußen. Nice and easy sind die Jobs dort nicht – wie auch, ein Laden wie das Ue&G brummt fast rund um die Uhr. Den Beschäftigten wurde nicht zuletzt durch die Coronapandemie und einen Wechsel in der Geschäftsführung deutlich, dass sie Arbeitnehmer*innenrechte auch innerhalb der Bunkermauern brauchen. Seit dem 9. November hat das Uebel & Gefährlich einen Betriebsrat und könnte damit wegweisend für die Hamburger Clubszene werden.

"Die Arbeit im Club hat stets auf einer kreativen Form der Selbstausbeutung beruht. Uns war vieles egal, worüber andere Leute vielleicht den Kopf schütteln würden, weil die meisten Dinge einfach auf Augenhöhe abliefen. Sechzehn Stunden am Stück machen? Kein Ding, solange wir am Ende des Abends mit der Band am Tresen stehen und Bier trinken, ist alles fein. Aber jetzt, wo der Laden geführt wird wie ein x-beliebiger Großkonzern, müssen wir auch auf uns achten und unsere Rechte wahren." Dennis liegt der Club seit Jahren am Herzen, er ist Servicekraft, sieht sich aber eher als Clubhausmeister, liebt die Arbeit im kulturellen Bereich und die Freiheiten, die er bisher hatte.

Viel habe sich verändert: Spontane Kündigungen, die nach Dennis Beobachtung eher persönliche Motive hatten, und eine fehlende Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Beschäftigten waren deshalb für ihn der Grund, sich intensiv für einen Betriebsrat zu engagieren. Knapp 50 Menschen arbeiten im Uebel & Gefährlich, seit etwa vier Monaten unter neuer Geschäftsführung.

Schon vor dem Geschäftsführungswechsel hatten sich Dennis und andere mit ver.di Hamburg getroffen und sich bezüglich der Gründung eines Betriebsrates beraten lassen. "Da uns geraten wurde, bei Unsicherheiten die Planung lieber vorsichtig weiter zu verfolgen, haben wir diesen Ratschlag auch nach dem Wechsel der Geschäftsführung beherzigt. Ich glaube, die Geschäftsführung war, nachdem sie von der BR-Gründung erfahren hat, zunächst verunsichert, auch weil sie nicht wusste, was das für den Alltag im Clubgeschäft bedeuten kann", beschreibt Hinrich die Entwicklung. Er arbeitet seit über elf Jahren im Ue&G, ist ver.di-Mitglied und einer der Hauptinitiatoren der Betriebsratswahl. Er hofft, dass die Geschäftsführung in Zukunft zu schätzen weiß, dass es jetzt Ansprechpartner*innen aus allen Bereichen des Betriebs gibt, die die Wünsche der Beschäftigten klar vertreten können.

Frank und Sunny arbeiten im Bereich Tontechnik, Frank ist zusätzlich noch Nachhaltigkeitsmanager. Beide sind seit der Gründung des Clubs 2006 dabei, für beide war die Wahl eines Betriebsrats überfällig. Ihr persönliches Motiv war, "dass unser früherer Chef mir und anderen Mitarbeitenden, die schon seit Anfang an im Betrieb mitarbeiten, 15 Jahre lang eine Festanstellung verweigert hat. Er wollte definitiv keine Verantwortung für seine Mitarbeiter*innen übernehmen. Außerdem musste jede*r Mitarbeiter*in eigene Deals mit dem Chef aushandeln. So war es einfach für den Chef, berechtigte Forderungen abzulehnen."

Große Solidarität

Sauer und verunsichert, so erlebten Sunny und Frank den neuen Geschäftsführer rund um die Betriebsratsgründung. "Er hat das persönlich genommen, weil er ja auch schon mehr als zehn Jahre im Club arbeitet. Inzwischen findet er es gut, dass er mit dem neuen Betriebsrat konkrete Ansprechpartner*innen hat." Der Weg zum Betriebsrat im Ue&G war nicht einfach, auch, weil es in der Clubszene kaum Vorbilder dafür gibt und Erfahrung fehlt.

"Die Mitarbeitenden haben die Wahl sehr unterstützt mit einer hohen Wahlbeteiligung und großem Interesse am Thema. Die Solidarität unter den Mitarbeitenden empfinde ich als sehr groß", sagt Tina, Wahlvorstand und Betriebsrats-Ersatzmitglied. Die Idee für eine Betriebsratsgründung kam aus dem Club Berghain in Berlin – ein dortiger Mitinitiator des Betriebsrats stellte den Kontakt zu ver.di Hamburg her. Peggy Prescher, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di Hamburg, sagt rückblickend , dass auch ver.di dazu gelernt habe.

Im frisch gewählten Betriebsrat sind Frank, Patricia und Juna Jane. Juna Jane, eine engagierte Vertreterin der LSBTIQ-Bewegung, habe dazu beigetragen, dass das Thema "Diversity" auch in rechtlich-formellen und strukturellen Zusammenhängen sensibel aufgegriffen und gelebt werden müsse. "Auch in Clubs mit ihren ungewöhnlichen Rahmenbedingungen muss demokratische Mitbestimmung einen Platz haben."

ver.di gratuliert den engagierten Gewerkschafter*innen im Uebel und Gefährlich, die die Wahl initiiert und durchgeführt haben. "Wir hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht. Ich stehe den Betriebsrät*innen gern zur Seite. Einer der angesagtesten Clubs in Hamburgs Kulturszene setzt damit in Sachen Demokratie einen Trend", sagt Peggy Prescher.

Das Uebel und Gefährlich ist nicht die erste Hamburger Kultureinrichtung mit Betriebsrat, unter anderem gibt es auf Kampnagel und im Bürgerhaus Wilhelmsburg Betriebsräte, ebenso im Schauspielhaus und im Thalia-Theater. Doch in der Club-Szene sind Betriebsräte noch selten. Beim direkten Nachbarn des Ue&G, dem FC St. Pauli, findet seit 2002 erfolgreich betriebliche Mitbestimmung statt.