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Foto: Firn/360°Creative/ddp

"Hartz IV" heißt ab dem 1. Januar 2023 "Bürgergeld". Der sogenannte Regelsatz, also die Höhe der Grundsicherung, die ein erwerbsloser oder ein nicht erwerbsfähiger Mensch mit dem neuen Jahr im Monat erhält, wird um 53 Euro steigen. Statt der aktuell 449 Euro werden es dann 502 Euro sein.

In den zurückliegenden Wochen wurde unter anderem um die Erhöhung des Regelsatzes gestritten. Für ver.di oder auch dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ist er nach wie vor zu niedrig, es müssten mindestens 150 Euro mehr sein, auch angesichts der anhaltend hohen Inflation von rund 10 Prozent. Preise für Waren des Grundbedarfs wie Lebensmittel haben sogar überproportional zugelegt. Andere wiederum behaupten, der Regelsatz sei zu hoch. Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, haben falsche Zahlen ins Spiel gebracht und behauptet, Bürgergeldempfänger*innen hätten in Zukunft mehr Geld als Menschen, die in Niedriglohnbranchen einer Arbeit nachgingen.

Auch beim sogenannten Schonvermögen, Erspartem also, war Merz und Söder die Latte zu hochgelegt. Wer Geld auf der Kante hat, solle es bitteschön auch für seine Bedarfe ausgeben und nicht dem Staat auf der Tasche liegen. Wer sein Erspartes nicht anrühren und obendrein sechs Monate lang nicht mit Kürzungen des Regelsatzes rechnen müsse, der habe laut dem Christdemokraten und dem Christsozialen null Anreize, schnell wieder eine Arbeit aufzunehmen. Die Mär vom faulen Arbeitslosen, der in der sozialen Hängematte schaukelt, sie hält sich hartnäckig – weil sie immer wieder bedient wird. Immer wieder auch von Leuten wie Merz und Söder, die es besser wissen.

Doch das Bild hat noch nie gestimmt und es stimmt auch heute nicht. Unlängst erklärte der Leiter eines Jobcenters in Aachen, dass in der Regel lediglich drei von 100 Erwerbslosen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkämen. Nicht zuletzt hat auch die Corona-Pandemie gezeigt, dass Menschen, die erwerblos sind, kein Interesse daran haben, es zu bleiben. Denn trotz Aussetzens der Sanktionsmaßnahmen, ging die Bereitschaft von Erwerbslosen, eine Arbeit anzunehmen, in dieser Zeit nicht zurück.

Zahl der Langzeiterwerbslosen sinkt

Schaut man sich die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zudem genauer an, wird deutlich, dass viele Hartz-IV-Bezieher*innen keinem Erwerb nachgehen können. Im November 2022 gab es in Deutschland rund 5,6 Millionen Menschen, die Grundsicherung empfangen haben, ein knappes Drittel von ihnen war "nicht erwerbsfähig". Darunter fallen in der Statistik mit knapp 1,5 Millionen vor allem Kinder unter 15 Jahren.

Von den 3,8 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger*innen waren 2,4 Millionen arbeitslos gemeldet, darunter rund 90.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung. Daten zu anderen Bezugsgruppen liegen aktuell nur aus dem August vor. Zu diesem Zeitpunkt waren knapp 600.000 der erwerbslos Gemeldeten alleinerziehend, knapp 300.000 waren pflegende Angehörige, 250.000 waren arbeitsunfähig.

Und unter den Hartz-IV-Leistungsberechtigten verbergen sich noch einmal über 800.000 Personen, die arbeiten. Es sind Beschäftigte, die aus verschiedenen Gründen ihr Einkommen ergänzen müssen, häufig, weil ihr Lohn zu niedrig ist. Allein dagegen würden gute Löhne helfen. Auch das hat Corona gezeigt: Systemrelevante Jobs wie etwa im Lebensmittelhandel sind oftmals nur gering bezahlt oder nur noch in Teilzeit zu haben. Und: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im November im Vergleich zum Vorjahr von rund einer Million auf unter 900.000 zurückgegangen.

Merz, Söder und all die anderen, die immer wieder Stereotype von Erwerbslosen verbreiten, kennen alle diese Zahlen und legen sie sich dennoch so zurecht, wie es ihnen passt.

"Die von den Unionsparteien durchgesetzten Änderungen beim geplanten Bürgergeld bedeuten einen schlechten Kompromiss zu Lasten der Menschen, die Hilfe und positive Begleitung statt Bestrafung brauchen, um ihre Arbeitslosigkeit zu überwinden", sagt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Das Bestrafungs- und Sanktionssystem Hartz IV, das die rot-grün-gelbe Bundesregierung eigentlich ablösen wollte, lebe so fast unverändert weiter. Vor allem die Streichung der weitgehend sanktionsfreien sechsmonatigen Vertrauenszeit sei dafür bezeichnend. Auch die Kürzung der zweijährigen Karenzzeit auf ein Jahr, die es Betroffenen ermöglicht hätte, sich angstfrei zu qualifizieren, ohne jeden Moment damit rechnen zu müssen, aus ihrer Wohnung vertrieben zu werden, erhöhe den Druck auf sie nun wie gehabt.

Ausbildung schützt vor Erwerbslosigkeit

Doch gerade Qualifizierung spielt eine wichtige Rolle, um Erwerbslose in Arbeit zu bringen. Im November besaßen über 60 Prozent der Langzeiterwerbslosen keinen Berufsabschluss. Dass mit Hartz IV jetzt zumindest auch der sogenannte Vermittlungsvorrang abgeschafft wird, bietet diesen Betroffenen eine echte Chance, eine Ausbildung nachzuholen und so vor einer erneuten Erwerbslosigkeit besser geschützt zu sein. Fachkräfte werden nämlich weiterhin und langfristig in vielen Branchen gesucht.