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Angriff auf Polizei und Feuerwehr während eines EinsatzesFoto: Theo Bick/dpa/picture alliance

ver.di publik: Die Gewalt gegenüber Einsatzkräften der Polizei, Notfallrettung und der Feuerwehr nimmt immer mehr zu. Wie kommt es zu der Gewalt gegenüber euch Feuerwehrleuten?

Erik Brumm: Es fängt mit Kleinigkeiten an. Wenn wir irgendwo im Einsatz sind, parken wir in der Regel nicht so, wie man soll. Wir stellen unser Fahrzeug so ab, dass wir schnell Hilfe leisten können. Und da gibt es halt unsensible Mitmenschen, die glauben, dass wir bewusst den Verkehrsfluss blockieren. Und diese Menschen zicken uns dann halt an.

Aber das war doch früher nicht so. Wann hat das angefangen, dass Bürger und Bürgerinnen Hilfskräfte anpöbeln oder gar gewalttätig ihnen gegenüber werden?

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Erik BrummMarkus Jaggo

Es ist generell so, dass sich die Erwartungshaltung gegenüber uns deutlich gewandelt hat. Warum das so ist, die Frage stellen wir uns ziemlich häufig. Ein Triggerpunkt war meiner Meinung nach die Angleichung der Farbe der Uniformen. Früher waren Polizisten mit beigefarbener Hose und ockerfarbenen Hemd auf den Straßen und wir in blau oder rot. Heute sind wir alle blau. Es gibt keine Unterscheidungsmerkmale mehr. Die Polizei ist blau, die Feuerwehr ist blau, die Bundespolizei ist blau. Und der Bürger nimmt uns vielleicht nicht mehr als den Helfer in der Not, sondern eben auch als Staatsmacht wahr.

Wenn ein Haus brennt, ist doch eigentlich klar, dass die Feuerwehr löschen und helfen will.

Es brennt ja nicht immer. Nehmen wir eine Alltagssituation: Du bist mit dem Rettungswagen am Einsatzort, ein Kaufhaus, und willst helfen vor einer Rolltreppe. Da wäre es vor zehn Jahren so gewesen, dass die Leute – zwar mit Murren – einen Bogen um die Einsatzstelle gemacht hätten. Heute meckern sie dich an und laufen einfach mitten durch. Oder behindern dich. Die Verrohung ist deutlich spürbar.

Spielen die Sozialen Medien dabei auch eine Rolle?

Auf jeden Fall. Du kriegst immer gleich vorgehalten, was du falsch machst, was du besser hättest machen können. Wenn es dabei bleibt, ist das noch angenehm. Meistens aber bekommst du auf die Finger geguckt und hast sofort einen Facebook-, Instagram- oder TikTok-Post. Und der ist meistens nicht positiv behaftet. Die Social-Media-Ebene ist ein deutlicher Faktor, der uns quasi aufs Tablett hebt. Wer hat uns denn früher gefilmt? Heute hat jeder ein Smartphone in der Hand. Das Erste, was sie machen, ist ein Bild. Nicht weil sie damit etwas Positives bewirken wollen, sondern weil sie sich selbst in den Vordergrund spielen oder einen geilen Post haben wollen.

Gerade das behindert eure Arbeit zusätzlich und führt zu weiteren Gefähr dungssituationen, bis zu körperlichen Übergriffen. Wie belastend ist das?

Am schlimmsten ist es, wenn Kollegen durch so eine Eskalation arbeitsunfähig werden. Bei einem unserer Einsätze wurden zwei Kollegen angegriffen. Die haben richtig auf die Zähne bekommen, wurden geschlagen. In so einer Situation sind wir ungeschützt. Ich alarmiere ja nicht bei jedem Einsatz die Polizei. Wir fahren zum Einsatz, um zu helfen und nicht, um uns bedrohen zu lassen. Eigentlich müssten wir uns über Schutzmaßnahmen Gedanken machen, das wollen wir aber nicht. Die Polizei trägt schusssichere Westen und hat Bodycams, aber da wollen wir nicht hin. Für meine Kolleginnen und Kollegen ist eine Schutzweste auch immer eine zusätzliche Belastung. Erstens wiegt das Ding viel, bei den Temperaturen, die wir jetzt kriegen im Sommer, braucht das kein Mensch. Und eine Bodycam ist natürlich auch etwas, was nicht geht: Die Menschen, denen wir helfen, wollen nicht gefilmt werden in ihrem Leid.

In Berlin herrschten Silvester zuletzt bürgerkriegsähnliche Zustände. War das eine Ausnahme oder gibt es bei euch in Hessen auch ähnliche Übergriffe an Silvester?

Es gibt immer Situationen, die prekär sind. Nicht so extrem wie hier in Berlin. Das war eine neue Qualität. Aber die großen Feuerwehren arbeiten da schon zusammen, Berlin, Frankfurt, München, Hamburg und andere. Die tauschen sich auch aus. Aber die Frage ist, was willst du dagegen tun? Du kannst ja nicht sagen, wir kommen nicht, wenn da eine Familie im siebten Stock in einer brennenden Wohnung eingeschlossen ist. Mit Wasserwerfern da durchfahren? Will niemand. Meiner Meinung nach müssten wir am Dienstunfallrecht arbeiten, verankern, dass es immer ein Dienstunfall ist, wenn so etwas passiert. Dass die Familien der Kolleginnen und Kollegen abgesichert sind, wenn ein körperlicher Schaden bleibt. Und wir müssen mit den Menschen reden, die aus anderen Ländern zu uns kommen. Wir müssen die Integration mitgestalten. Die haben potenziell andere Kenntnisstände von dem, was wir tun. In der Türkei, in Syrien, in Afghanistan zum Beispiel ist die Feuerwehr Teil des Militärs. Und die haben dann vielleicht eine andere Vorgehensweise wie wir. Wenn ich gerade aus Afghanistan geflohen bin, und da kommt einer in Uniform, habe ich wahrscheinlich keinen Bock, dass der mich anfasst. Wir schmücken uns mit dem mit dem Spruch "Wir sind die Guten" und das müssen wir in die Integration reinbringen, dass das auch so ist.

Passiert in die Richtung schon etwas?

Die Landesfeuerwehrverbände und großen Feuerwehren haben alle Brandschutz-Erziehungseinheiten, wir besuchen beispielsweise Kindergärten und Schulen. Mit dem Bundesinnenministerium überlegen wir, auch in die Integrationskurse mit rein zu gehen. Und in der Praxis passiert auch schon viel. Zum Beispiel sind wir geschult im Umgang mit Muslimen. Eine Behandlung von einer muslimischen Frau wird nie im Eins-zu-Eins-Verhältnis stattfinden. Du bist mit einer muslimischen Frau niemals allein als Mann in einem Raum. Da ist immer jemand von der Familie dabei. Wir sagen unseren Leuten sogar, wenn ihr in eine muslimische Wohnung kommt und die laufen alle ohne Schuhe rum, dann versucht, wenn es im Sinne des Eigenschutzes möglich ist, eure Schuhe auszuziehen. Oder es gibt diese Überzieher, die meisten Muslime, die nicht wollen, dass jemand mit Straßenschuhen in die Wohnung geht, bieten die selbst an.

Aber das geht nur, wenn nicht totale Gefahr im Verzug ist.

Ja, natürlich. Wenn ich in eine Wohnung muss, in der es brennt, dann ist mir das egal. Aber das hat etwas mit Wertschätzung, mit wertschätzendem Umgang, interkultureller Kompetenz zu tun. Das ist etwas, was wir von unseren Mitarbeitenden verlangen. Und wir bekommen da auch positive Rückmeldungen. Wertschätzung auf beiden Seiten ist der richtige Weg.

INTERVIEW: Petra Welzel