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Hans Böckler im Alter von 60 JahrenFoto: Heinz Hering/Süddeutsche Zeitung Photo

Es ist ein kleines Fachwerkhaus in der Hans-Böckler-Straße 15. Wer es betritt, erfährt viel über die Geschichte der Arbeiterschaft von Trautskirchen. Erbaut hat das sogenannte "Tropfhaus" der Tagelöhner Lorenz Kohler im Jahr 1745. Tropfhaus heißt es, weil das Grundstück lediglich bis zur Begrenzung durch die vom Dach rinnenden Regentropfen reicht. Zu einem solchen Haus gehörte also nicht mehr an Grundfläche als das Stückchen Land, auf dem es stand. In solchen Tropfhäusern wohnte die dörfliche Arbeiterklasse: bedienstete Tagelöhner und Handwerker, kurzum die Mehrheit der Trautskirchner im 18. Jahrhundert.

Unklar ist, inwieweit Hans Böckler, der erste Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) und Namenspatron der Hans-Böckler-Stiftung, mit dem Tropfhaus in der nach ihm benannten Straße in Trautskirchen verbunden ist. Ob seine Mutter, die unverheiratete Anna Christiane Kornbausch, für ein Jahr eine Kammer im Haus gemietet hatte oder ob sie nur zur Geburt in das Haus gezogen war. Die Arbeiterinnen und Arbeiter schafften es damals kaum, die Abgaben an die Herrschaft im Schloss Frankenhöhe oberhalb des Dorfs zu stemmen. Die Häuser in Trautskirchen und den umliegenden drei Dörfern beliefen sich auf 68 zu Abgaben verpflichtete Anwesen. Darunter Höfe, Halbhöfe, 18 Güter, das obligatorische Gasthaus, eine Schmiede, eine Badestube und insgesamt 42 Tropfhäuser für die Arbeitenden. Heute wohnen um die 1.350 Menschen in und um Trautskirchen.

Raue Sitten

Als der kleine Hans ein Jahr alt ist – seine Mutter hat inzwischen seinen Vater geheiratet –, zieht die Kleinfamilie in das rund 30 Kilometer entfernte Fürth, wo sich sein Vater als Kutscher und seine Mutter als Wäscherin verdingt und er einige Jahre später auf seinen kleinen Bruder aufpassen muss. Damals schon gewieft, gräbt er auf dem Fürther Königsplatz eine Grube, setzt den kleinen Bruder Georg hinein und schaufelt sie wieder zu, bis nur noch der Kopf herausschaut. Dann bittet er den Schmied, auf seinen Bruder zu achten; so kann er herumstrawanzen mit seinen Spezln, den Freunden.

"Ich kämpfe um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die schaffenden Menschen."
Hans Böckler

Sein Vater stirbt, als er 13 Jahre alt ist. Hans lernt den Beruf des Metallschlägers. Fünf Jahre später tritt er dem Deutschen Metallarbeiterverband und der SPD bei. Als der bekennende Antimilitarist Hans 1896 beim Königlich Bayerischen Infanterieregiment in Nürnberg dient, wird er als "Sozi" kritisch beäugt.

Trotz stetiger Repression durch die Behörden ist er ohne Unterlass für die Gewerkschaft tätig. Bei einer Hausdurchsuchung gräbt ein Schutzmann sogar in den Kohlen nach Karteikarten der Mitglieder und fährt ihn an: "Helfen Sie gefälligst mit!". "Machen Sie die Haussuchung oder ich?", erwidert Böckler keck. Er lässt sich weder von Schlägen, noch von Verfolgungsjagden unterkriegen.

Nicht selten geht es bei den Hausdurchsuchungen durch die Polizei um die Arbeitsplätze der Kolleg*innen. Denn wessen Gewerkschaftskarteikarte gefunden wird, der wird gefeuert. So ergeht es auch Böckler und seiner Frau, als sein Boss in der Zeitung liest, dass sein Angestellter die 1. Maidemonstration in Fürth angemeldet hatte, die dann aber gar nicht genehmigt wird. 1928 schließlich wird der SPDler und Gewerkschafter Hans Böckler in den Reichstag gewählt, seine politische Karriere beginnt.

Hier hängt der Hammer

Sein Geburtshaus indes verfällt im Laufe der Zeit. Es war verrußt von der "Esse", der offenen Feuerstelle, sagt Gerhard Braun. Der ehemalige Maurer kümmert sich seit vielen Jahren um das Haus, das heute ein kleines Museum zu Ehren Böcklers beherbergt. "Früher hatte es keine Wände, sondern war entweder ein Heulager oder ein Ziegenstall". Mit einem Gewerkschaftskollegen habe er dann die Wände des Fachwerkhauses neu verputzt, aufgrund des Denkmalschutzes durften sie die Vorderseite nicht abreißen. "Ich habe die Rückwand des Hauses und eine Zwischenwand gemauert, mit allem, was wir hatten." Unterstützt hat sie bei alle dem die Hans-Böckler-Stiftung, feierlich eröffnet wurde das Museum am 28. September 1989.

Gerhard Braun hat insgesamt 31 Jahre auf dem Bau gearbeitet. Als Stift sagte ein alter Zimmermann zu ihm: "Wir brauchen die Gewerkschaft", und er trat der IG Bau bei. Zwei Bandscheibenvorfälle später kümmert er sich heute zusammen mit seiner 63-jährigen Frau und Altenpflegerin Brigitte Braun liebevoll um die Geburtsstätte Böcklers.

Widerstand und Wiederaufbau

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In diesem kleinen Haus in Trautskirchen wurde Hans Böckler 1875 geborenFoto: Seidl

Und so zeugt dieses kleine Dorfmuseum von der deutschen Gewerkschaftsbewegung, die hier ihre Wurzeln hat. Deren Errungenschaften wie Kündigungs- schutz und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sind heute selbstverständlich und werden immer wieder aufgeweicht oder von Unternehmerseite torpediert. Im Haus findet man auch den etwa 14 Pfund schweren Hammer, mit dem der junge Hans an einem langen Arbeitstag in der dampfigen Fabrik, also 13 Stunden lang bis zu 70.000-mal auf Blattgold hämmerte. Das vergaß er Zeit seines Lebens nicht. Sein 1910 geäußertes Versprechen wurde Wirklichkeit: "Ich kämpfe um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für die schaffenden Menschen. Werden sie uns nicht freiwillig zugestanden, dann werden wir sie uns erkämpfen, denn das moralische Recht ist auf unserer Seite."

Seine Nähe zur widerständischen Gruppe um den Sozialdemokraten und Gewerkschafter Wilhelm Leuschner zwingt ihn nach dem erfolglosen Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 in den Untergrund. Rückblickend konstatiert er, seine Pflicht getan zu haben. Er kommt wiederholt in Schutzhaft und wird, wie so viele andere, wirtschaftlich vernichtet. "Meine jetzige Tätigkeit ist nach Wiederaufnahme Fortsetzung der früheren", zitiert ihn eine Kurz-Biografie.

Am bekanntesten dürften seine Verhandlungen als Vorsitzender des DGB für die Hüttenarbeiter*innen der Montan- industrie in Rhein und Ruhr sein. Dort kämpft er im Januar 1951 erfolgreich für eine Mitbestimmung der Arbeiter*innen. Im selben Jahr, am 16. Februar stirbt Hans Böckler mit 75 Jahren an einem Herzinfarkt in Köln-Lindenthal. Begraben liegt er auf dem berühmten Kölner Melaten-Friedhof.

"Die Wenigsten in Trautskirchen wissen überhaupt, dass Hans Böckler hier geboren wurde", sagt Gerhard Braun. "Das Geburtshaus ist leider nur schlecht besucht." Das Gästebuch gibt ihm recht. Dort hat der Personalrat des Finanzamtes Ansbach 2021 "in aller Verbundenheit" gezeichnet und zuletzt hat sich eine "Konfirmationsgesellschaft" im Mai 2022 "weitergebildet". "Am Ortseingang könne auf Hans Böckler hingewiesen werden", sagt Bürgermeister Werner Wirth. Zu Böcklers 150. Geburtstag ist ein Museumsfest geplant". Wirth , seit 31 Jahren ver.di-Mitglied, sagt: "Für mich verkörpert Hans Böckler die Gewerkschaftsbewegung, Widerstand und Wiederaufbau."

Hans-Böckler-Geburtshaus:

Hans-Böckler-Straße 15

90619 Trautskirchen

Öffnungszeiten:

jeden ersten Sonntag im Monat von 14 Uhr bis 17 Uhr. Tel: 09107/12 28 oder Tel. 09107/255

Gegründet wurde im Februar ein regionales Archiv der Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsbewegung. Engagierte Gewerkschafter*innen aus Nürnberg und Nordbayern wollen so die Geschichte ihrer Region lebendig halten:

Aag-archiv.de

Verlosung

Leonhard F. Seidl ist mehrfach ausgezeichneter Schriftsteller, Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller*innen in ver.di Mittelfranken und hat soeben das Buch veröffentlicht: "111 Orte in der Frankenhöhe, die man gesehen haben muss", darunter auch das Hans-Böckler-Haus. Wir verlosen drei Exemplare unter dem Stichwort: Hans-Böckler E-Mail an