Wenn von ukrainischen Bergleuten die Rede ist, denkt man in der Regel an den Donbas. Aber jetzt sind die Bergwerke in dieser Region aufgrund der anhaltenden Feindseligkeiten nicht mehr in Betrieb. Zwei Regionen in der Westukraine – Lwiw und Wolyn – fördern ebenfalls Kohle. Aktuell steht der Industriezweig in dieser Region jedoch vor vielen Problemen und Herausforderungen: von veralteter Ausrüstung über verspätete Löhne bis hin zum Mangel an Rettungsausrüstung, die für den Abbau in der Mine unerlässlich ist.

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Olha VorozhbytFoto: privat

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine fügt seine eigenen Probleme und bitteren Schmerzen hinzu. Wie Vertreter anderer Berufsgruppen kämpfen die Bergleute jetzt an der Front, und leider sterben auch immer wieder welche von ihnen. Als ich am 7. Juni in Tscherwonograd, einer Bergbaustadt 90 Kilometer von Lwiw entfernt, eintraf, um die Vorsitzenden der unabhängigen Bergarbeitergewerkschaft von Tscherwonograd zu treffen, nahm die Stadt gerade Abschied von einem ihrer Kollegen, dem 29-jährigen Bergmann Taras Maksymets. Er ist an der Front gefallen. Von den 7.500 Beschäftigten des staatlichen Unternehmens "Lwiwwugillja", zu dem fünf Bergwerke gehören, befinden sich derzeit etwa 1.000 Männer an der Front, 33 sind ge-fallen, wie mir Myroslawa Kaftan, die Vorsitzende der unabhängigen Gewerkschaft, mitteilte.

Das bedeutet, dass aus jedem der Bergwerke etwa 200 Personen in der Armee sind, was sich natürlich auf die Arbeit auswirkt. Oft gibt es nicht genug Berg-leute, um in das Bergwerk hinabzusteigen, aber trotzdem versuchen alle, ihre Kohleproduktionsziele zu erreichen. Gleichzeitig widmen die Mitglieder der Gewerkschaft, wie der Rest der ukrainischen Gesellschaft, einen großen Teil ihrer Bemühungen der Unterstützung der Menschen an der Front: Sie sammeln Geld für die notwendige Ausrüstung und liefern sie an ihre Kollegen an der Front. Wasyl Semkanytsch, Vorsitzender der Gewerkschaft im Bergwerk "Stepowa", ist gerade von einer solchen Reise an die Front zurückgekehrt.

Probleme aus der Vergangenheit

Viele der Probleme, mit denen die ukrainischen Bergleute heute konfrontiert sind, stammen aber aus der Vergangenheit. Eines davon ist die veraltete Ausrüstung. Myroslawa Kaftan sagt, dass die Beschäftigten stillgelegter Bergwerke in Deutschland oder Polen oft über eine neuere Ausrüstung verfügten als die ukrainischen heute. Der Krieg stellte eine weitere Herausforderung dar. Alle Fabriken, die Ausrüstung und Geräte reparieren könnten, befinden sich in der Ostukraine, wo die Kämpfe andauern.

Schon vor dem Krieg hatte die Branche keine Vorstellung davon, wie und wie lange die Bergwerke betrieben werden sollten, da die Branche lange Zeit subventioniert wurde. Ein weiteres Problem, mit dem die Bergleute immer wieder konfrontiert sind, ist die verspätete Auszahlung der Löhne. Es war eines der Themen der Gewerkschaftssitzung, an der ich am 7. Juni teilnahm.

Je näher die Ukraine an die EU heranrückt, desto aktiver muss sie über die Zukunft ihrer Kohleindustrie nachdenken. Kürzlich kündigte die regionale Verwaltung in Lwiw an, dass die Ukraine mit Unterstützung der deutschen Regierung einen Plan zur Schließung des Bergwerks "Welykomostiwska" in der Nähe von Chervonohrad ausarbeiten wird. Stattdessen ist die Schaffung eines Industrieparks geplant. "Unsere Gewerkschaft ist nicht gegen die Schließung von Bergwerken, aber zuallererst müssen wir hier Arbeitsplätze schaffen", sagt Wasyl Semkanytsch. Neben den Plänen für die Zukunft müssen daher auch die heutigen Probleme der Industrie gelöst werden, die oft mit der Vergangenheit zusammenhängen und die durch den Krieg in Russland nur noch verschärft wurden.

Olha Vorozhbyt ist stellvertretende Chef-Redakteurin des ukrainischen Nachrichtenmagazins Ukrajinskyi Tyschden. Seit der Ausgabe 03_2022 schreibt sie regelmäßig für uns ein Update aus der Arbeitswelt in der Ukraine.