Im Jahr 2023 wurde der Tag des Arztes in der Ukraine zum ersten Mal am 27. Juli gefeiert. In diesem Jahr wurde beschlossen, das Datum des Feiertags zu ändern, damit er nicht mit dem Tag des Arztes zusammenfällt, der in der Sowjetunion gefeiert wurde und in Russland und Belarus immer noch gefeiert wird. So erfuhr ich an diesem 27. Juli über Oksana Slobodjana, eine Krankenschwester mit mehr als 25 Jahren Erfahrung und Mutter von vier Kindern aus Lwiw, die vor einigen Jahren beschloss, die Beschäftigten im Gesundheitswesen in einer unabhängigen Gewerkschaft zu vereinen, und dies auch in Zeiten des Krieges weiterhin tut. Alles begann mit einem Video, das Nina Kozlowska, eine Pflegefachfrau aus Boyarka, im Jahr 2019 veröffentlichte.

olha.jpg
Olha VorozhbytFoto: privat

In diesem Video beschreibt Nina Kozlowska alle Schwierigkeiten, die mit der Arbeit als Krankenschwester in ukrainischen Krankenhäusern verbunden sind. Die größte Herausforderung waren damals (wie auch heute) die niedrigen Gehälter. Damals erhielten Krankenschwestern ca. 3.500 UAH bzw. Hrywnja (ca. 150 Euro). Deshalb waren sie gezwungen, Überstunden zu machen, um über die Runden zu kommen. Aber viele zogen es vor, auszuwandern und im Ausland zu arbeiten. Ukrainische Krankenschwestern wurden gerne in Ländern wie Polen, Litauen und der Slowakei eingestellt.

Das Video von Nina Kozlowska rüttelte das medizinische Nachwuchspersonal auf. Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (obwohl dieser Beruf in der Ukraine ein großes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern aufweist, nur etwa 3 Prozent der Männer sind in diesem Beruf tätig) gingen zu Kundgebungen. Die Aktivsten unter ihnen gründeten die unabhängige Bewegung "Sei wie Nina". Oksana Slobodjana ist die Leiterin der lokalen Niederlassung dieser Organisation. Neben ihr leitet sie auch die Lwiwer "Unabhängige Regionalgewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheitswesen".

Von der Bewegung zur Gewerkschaft

Die Idee, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, entstand mit dem Beginn der Pflegefachfrauenbewegung im Jahr 2019. Sie wurde jedoch erst zwei Jahre später offiziell registriert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine fügte neue Herausforderungen hinzu, hielt aber den Wunsch der Aktivisten nach Veränderung nicht auf.

Heute engagiert sich Oksana Slobodjana für die Entwicklung der Gewerkschaft und – wie sie mir erzählt – erhält sie immer mehr Nachrichten von Kolleginnen und Kollegen aus Städten und Gemeinden in der ganzen Ukraine, die lokale Gewerkschaftszweige gründen und sich anschließen wollen. Aus diesem Grund brachten Oksana Slobodjana, Nina Kozlowska und einige andere Aktivisten an ihrem Berufstag im Juli einen Brief mit einem Appell an den Gesundheitsminister zum Gebäude seines Ministeriums. In ihrem Appell fordern die Aktivisten weitreichende Veränderungen.

Das größte Problem ist das extrem niedrige Gehalt in der Branche. Dies führt wiederum dazu, dass es einen katastrophalen Mangel an Pflegefachkräften gibt. Infolgedessen ist die Belastung derjenigen, die bleiben und arbeiten, extrem hoch. Der Krieg hat noch viele weitere Herausforderungen mit sich gebracht: Auch die Pflegefachfrauen und -männer verlieren ihre Häuser und Wohnungen und werden vertrieben.

In ihrem Brief schlagen die Aktivisten vor, den Mindestlohn für medizinisches Nachwuchspersonal auf 13.000 UAH (320 Euro) festzulegen und auch an die Zukunft zu denken, insbesondere an die Notwendigkeit, Nachwuchspersonal zu fördern. "Hört auf zu weinen, wir müssen handeln... wir weinen jetzt nur um die Toten...", schließt Oksana Slobodjana die Diskussion über ihren Brief an den Gesundheitsminister in der gemeinsamen Facebook-Gruppe ab. Dort bereiten sich die Krankenschwestern auf Aktionen vor, um die Situation in ihrem Bereich zum Besseren zu wenden. Für sich selbst und ihre Kinder.