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Callcenter in Portugal: kürzere Arbeitszeiten, weniger FehlzeitenFotos: Peter Grenadier/GlobalImages/imago

"Hier sind alle sehr zufrieden", sagt Inês Poeiras, Geschäftsführerin bei Caminhos da Infância. Seit Juni arbeiten die 23 Angestellten des Kindergartens in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon nur noch vier Tage die Woche. "Engagement und Kreativität haben zugenommen. Wenn das Team mit seinem Privatleben zufrieden ist, lässt es sich besser auf die Bedürfnisse der Kinder ein", zieht Poeiras nach zwei Monaten eine vorläufige Bilanz.

Der Kindergarten betreut 86 Kinder fünf Tage die Woche. "Die Einteilung der Schichten war unsere größte Sorge. Wir dachten, alle wollen Montag oder Freitag frei haben", sagt Poeiras. Um so größer war dann die Überraschung, als die Liste komplett war, auf der alle ihren Wunschtag eingetragen hatten. Manche wollten den Montag, andere den Mittwoch, wieder andere den Donnerstag… sie hatten sich zu früh Sorgen gemacht.

Einige Einschränkungen sind dennoch notwendig. So kann das Küchenpersonal freitags nicht frei nehmen, weil da die kommende Woche geplant wird. Und die Erzieherinnen für die Allerkleinsten müssen montags da sein, weil nach dem Wochenende Babys und Eltern mehr Aufmerksamkeit brauchen. "Das einzige Problem, das es noch zu lösen gilt, ist die interne Kommunikation", sagt Poeiras. Es sei nicht leicht, einen Tag zu finden, an dem alle da sind.

Sechs Monate Pilotprojekt

Caminhos da Infância ist eines von 39 Unternehmen, die an einem sechsmonatigen Pilotprojekt teilnehmen. Es wurde vom Arbeitsministerium der portugiesischen Regierung unter dem Sozialdemokraten António Costa ins Leben gerufen, um zu untersuchen, ob und wie eine 4-Tage-Woche funktionieren kann.

"In den letzten Jahrzehnten haben der technische Fortschritt und auch die soziodemografische Entwicklung die Art, wie wir arbeiten, stark verändert", sagt Pedro Gomes, Koordinator des Pilotprojektes. Der Portugiese ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Birkbeck in London und Autor eines der Standardwerke zur 4-Tage-Woche: "Friday is the New Saturday". Unlängst hat er in Deutschland einen Vortrag bei der IG Metall gehalten.

Von ursprünglich 99 interessierten Unternehmen wagten im Juni 39 den Schritt zur Umsetzung der kürzeren Arbeitswoche. Es sind Beraterfirmen, Technologie- und Handelsunternehmen, eine Abteilung in einem industriellen Großbetrieb und Einrichtungen aus dem sozialen Bereich. Für alle gilt: keine Lohneinbußen und eine Senkung der Wochenarbeitszeit auf 32 bis maximal 36 Stunden. Portugal hat immer noch eine 40-Stunden-Woche. Laut OECD arbeiten 72 Prozent tatsächlich noch länger.

Als das Projekt vorgestellt wurde, waren weder Unternehmerverbände noch Gewerkschaften allzu begeistert. Bei den Unternehmern wunderte das Gomes nicht wirklich, bei den Gewerkschaften schon eher. "Ich glaube, für sie war Arbeitszeitverkürzung immer das Ergebnis eines Arbeitskampfes. Dass das jetzt plötzlich von Unternehmen eingeführt wird, passt nicht in das bisherige Bild", glaubt er. Gomes hofft auf einen Mentalitätswandel.

"Für die Beschäftigten ist die 4-Tage-Woche Wohlbefinden, Zeit mit der Familie und für eigene Ideen und Projekte", wirbt Gomes. Dem stehe die Sorge der Unternehmer über die Produktivität gegenüber. Für Gomes kein Widerspruch, denn "ein ausgeruhter Arbeiter, arbeitet besser und mehr und wird weniger krank." Hinzu komme eine andere, effektivere Art zu arbeiten. Die reine Anwesenheit im Unternehmen sei nicht gleich produktiver Zeit. In vielen Unternehmen gebe es viel zu viele und viel zu lange Sitzungen. Effektivere Kommunikationsstrukturen würden ebenso Zeit freisetzen wie die Nutzung von Technologie, um Abläufe zu automatisieren. "Solange nicht alle Unternehmen die 4-Tage-Woche haben, ist diese sogar ein Wettbewerbsvorteil, wenn es um die Anwerbung von Fachpersonal geht", sagt Gomes. Anders als etwa im Nachbarland Spanien bekommen die am Pilotprojekt teilnehmenden Unternehmen keine finanzielle Unterstützung durch den Staat. Nur so spiegele das Ergebnis am Ende die tatsächlich wirtschaftliche Entwicklung wider, sagt der Projektkoordinator.

Mehr Gewinn und mehr Zeit

Bei Listor, Importeur und Großhändler für Bodenbeläge, sieht es nach den ersten zwei Monaten nicht schlecht aus. "Unsere Verkäufe nehmen weiterhin zu", sagt Finanzdirektor Luis Cordeiro. "Wir haben die Arbeitsabläufe neu organisiert, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene", erklärt er. Die Angestellten haben wahlweise Montag oder Freitag frei. Die Motivation der Angestellten habe zugenommen. Die Fehlzeiten seien zurückgegangen. "Es war nicht einmal notwendig mehr Personal einzustellen", sagt Cordeiro, der selbst den neuen freien Tag, den er mit seinem Sohn verbringt, schätzt.

"Das Modell hat die Produktivität jedes einzelnen eindeutig verbessert", bestätigt die Angestellte María José Carvalhido, die im Einkauf bei Listor für ausländische Lieferanten zuständig ist. "Ich habe viel mehr Zeit für meine persönlichen Belange und vor allem für die Familie", sagt sie. Nur wenn es viel zu bestellen gebe oder jemand krank wird, "dann kommt es schon zu mehr Arbeitsbelastung als früher", sagt sie. Doch bisher sei das alles zu meistern gewesen. Carvalhido hat – wie alle anderen in den Büros auch – das, was sie bei Listor einen "Spiegel" nennen. Eine Kollegin, die genau weiß, was sie tut. Beide gleichzeitig können nicht freinehmen. So wird für Kontinuität im Ablauf gesorgt.

Ob Listor nach dem Pilotprojekt bei der 4-Tage-Woche bleibt, hat die Geschäftsführung des Unternehmens noch nicht entscheiden. "Geht es nach der Belegschaft, dann ganz sicher", sind sich Cordeiro und Carvalhido einig.