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Oliver Berg/dpa

Titel "Starkes Signal für Gute Arbeit", ver.di publik 6_2023

Frank Werneke hat hervorgehoben, dass uns bei aller Kontroverse um den Angriff Russlands auf die Ukraine "die Ablehnung einer Politik, die lediglich in militärischen Kategorien denkt" verbindet. Hoffentlich zu Recht, denn mein Eindruck auf dem Bundeskongress war, dass viele Delegierte, die für fortgesetzte Waffenlieferungen in die Ukraine eintraten, genau in diesen Kategorien denken, in den Kategorien von "Sieg" oder "Niederlage". Trotzdem war für mich die Aussage erfreulich, dass ver.di Teil der Friedensbewegung ist und bleibt. Daraus ergibt sich für mich aber logisch, dass ver.di entsprechend auch zur Kundgebung der Friedensbewegung in Berlin am 25.11. aufruft, eventuell auch mit einem eigenen Aufruf, der die Diskussion in ver.di widerspiegelt. Ich möchte nicht, dass die Verortung von ver.di als Teil der Friedensbewegung nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Norbert Heckl, Stuttgart

Reportage "Sie kommen, um zu bleiben", ver.di publik 6_2023

Vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel zum Thema Fachkräftezuwanderung in der Pflege. Mir ist da eine hässliche Episode in Erinnerung geblieben, als meine Frau noch in der Pflege arbeitete: Der gerontopsychiatrischen Station, die während Corona unter massivem Personalmangel litt, war eine Praktikantin nicht weißer Hautfarbe zugeteilt worden. Schlechte Witze über ihre Hautfarbe und das unsägliche N-Wort waren an der Tagesordnung. Die Praktikantin verließ die Station sehr schnell wieder.

Egal, woher jemand kommt – man sollte einfach froh über jede tolle Kollegin sein.

Ich hoffe, dass wir da in Deutschland vor allem menschlich noch viel besser werden.

David Rengeling, Sindelfingen

Brennpunkt "Ohne Einwanderung sehen wir alt aus", ver.di publik 6_2023

Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass in dem Artikel schlechte Arbeitsbedingungen als Grund für den Fachkräftemangel genannt werden. Zum einen stören aber viele staatstragende Aussagen wie "unser Wohlstand" sei gewachsen "dank einer immer leistungsfähigeren, erwerbstätigen Bevölkerung" – Klassengesellschaft war scheinbar gestern, "unser" Wohlstand ist gewachsen, trotz steigender Armut in Deutschland, trotz steigender Obdachlosigkeit, trotz steigender Ungleichheit. Und wenn sich auch die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung seit den 1960ern verbessert haben, dann vor allem, weil sie dafür gekämpft haben. Zum anderen wird am Ende das "Fachkräfteeinwanderungsgesetz" neutral dargestellt und resümiert, die Fachkräfteeinwanderung sei "nur ein Baustein". Während Tausende junge Menschen abgeschoben und Millionen daran gehindert werden, herzukommen, locken die Herrschenden hierzulande stattdessen junge Arbeiter*innen, die in ihren Ländern gebraucht werden und in deren Ausbildung ihre Länder Tausende Euro gesteckt haben, an. Das ist kein "Baustein", das ist asozial. Die zweite Lösung neben diesem "Baustein": "Wir" müssten die inländischen Arbeitskräfte, die arbeiten wollen, aber nicht können, in Arbeit bringen. Was sollen diese staatstragenden Phrasen? Was wir machen können, ist: für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, für eine Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien kämpfen, gegen die kapitalfreundliche Politik der Regierung kämpfen, sprich: Streiken und zwar auch politisch! Daniel Polzin, Köln

Kommentar "Hausgemachter Arbeitskräftemangel", ver.di publik 6_2023

Das Gejaule der Arbeitgeberverbände über Arbeitskräftemangel kann ich nicht mehr hören. Ich war über 40 Jahre lang beruflich erfolgreich tätig. Als 62-jährige hoch qualifizierte Bürofachkraft habe ich im Sommer zur Auffrischung einen Englischkurs (mit unerbittlicher Hartnäckigkeit gegenüber der Arbeitsagentur) mit B2 abgeschlossen. Seit 2,5 Jahren arbeitssuchend noch nicht einmal eine Absage, oder ich werde per KI spätestens nach zwei Stunden outgesourced! Ich muss und will arbeiten, bis mindestens 67 und darüber hinaus, denn meine Witwenrente reicht für meine Miete/Nebenkosten, Krankenversicherung, aber für mehr nicht. Auf meinen Vorschlag an unterschiedliche Institutionen einer Bewerbungsmesse für Senioren in Nordfriesland bekam ich nie eine Antwort. Fachlich nennt man so etwas "Altersrassismus". Mit 40-Jährigen kann ich als 62-Jährige locker mithalten, auch optisch: Ich bin weder alt noch doof, noch dement, noch blind, noch schwerhörig, zum Lesen brauche ich bis heute keine Brille, und ich war mein ganzes Leben lang nie arbeitsscheu! Ich werde nicht wahrgenommen, nicht gesehen, nicht gehört, vollkommen in Leistung und Können unterschätzt, durch arrogante Ignoranz gedemütigt, für dumm verkauft.

Rita B. Mücke, Risum-Lindholm

Wer nicht in Bildung investiert, dem fehlen Fachkräfte!

Gun Wille, per E-Mail

Thema "Dann sterben Kinder", ver.di publik 6_2023

Bitte bleiben Sie an diesem Thema dran. Als Beschäftigter in einem Jugendamt einer Großstadt in der Wirtschaftlichen Jugendhilfe kann ich alle Schilderungen mehrfach unterstreichen! Bei uns werden die vom Allgemeinen Sozialen Dienst vergebenen Jugendhilfen finanziert und abgerechnet. Personalmangel, dauerhafte Überlastung der Sachbearbeiter mit zu vielen Fällen pro Kopf, dadurch bedingte Personalfluktuation – es ist ein Teufelskreis, der auch in unserem Amt gerade nicht durchbrochen werden kann. Mühsam eingearbeitete junge Mitarbeiter wechseln häufig wieder woanders hin. Die Belastung ist so groß, dass man für eine ruhige und umfassende Einarbeitung neuer Kollegen in die komplexe Materie der Jugendhilfen kaum Zeit hat. Dauererkrankungen bei älteren Kollegen nehmen zu, für die Vertretung von Erkrankten oder im Urlaub befindlichen Kollegen hat niemand Zeit, sodass sich immer mehr Bearbeitungsrückstände aufbauen, die nie abgearbeitet werden können. Überlastungsanzeigen werden bei uns zwar regelmäßig geschrieben, aber Abhilfe wird vom Arbeitgeber nicht geschaffen.

Ich fände es wichtig, dass sich ver.di in Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst viel stärker um Themen wie Personalbemessung und bessere Personalausstattung kümmert. Statt 8 Prozent mehr Lohn würde ich lieber 5 Mitarbeiter mehr und 3 Prozent mehr Lohn nehmen. Fazit: Wenn sich nicht sehr bald etwas ändert, wird das ganze System zusammenbrechen, und zwar nicht nur im Bereich der Jugendämter, sondern des gesamten öffentlichen Dienstes.

Stefan Dorl, per E-Mail

Zum Leserbrief von Ursula Mehl ver.di publik 6_2023

121 Milliarden Euro, also gut ein Viertel des Bundeshaushalts, erhielt die Rentenversicherung 2023 als Zuschüsse, Erstattungen usw. aus dem Bundeshaushalt (Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales). Deshalb ist es eine klare Falschbehauptung, dass "versicherungsfremde Leistungen" der Rentenversicherung ausschließlich von den Pflichtversicherten getragen würden und Beamte, Politiker und Selbstständige nicht betroffen seien.

Gerhard Lechleitner, Berlin

Leserbrief zum Preisrätsel, ver.di publik 5_2023

Die Antwort im Preisrätsel zur Erwerbstätigkeit der Frauen ist nicht nur falsch in Hinblick auf die DDR, worauf Kollegin Jutta Deckert zu Recht hingewiesen hat. Sie ist es auch für die Bundesrepublik unrichtig. Es ist keineswegs so, dass bis 1977 eine Ehefrau in der Bundesrepublik nur mit Zustimmung ihres Mannes arbeiten durfte. Auch wenn es so oft behauptet wird, ist das doch falsch. Frauen wurden nicht mit Eheschließung teilweise geschäftsunfähig, denn das bedeutet schließlich "zustimmungsbedürftig". Von 1957 bis 1977 lautete § 1356 BGB: "Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist." Es gibt keine Pflicht zur Zustimmung durch den Ehemann, er hat schon gar kein Kündigungsrecht und auch kein Klagerecht.

Der Ehemann wird noch nicht mal erwähnt.

Mich ärgern diese falschen Behauptungen, weil wir Frauen aus dieser Zeit zu unmündigen Menschen gemacht werden. Es war schon viel erreicht, dank der mutigen Frauen, die vor uns gekämpft hatten. Trotzdem hatte mich diese Verpflichtung auf den Haushalt selbstverständlich super geärgert. Dieser Paragraph musste weg und er kam weg. Gott sei Dank.

Eva Hoffmann von Zedlitz, per E-Mail

Kulturtipp „The Kiffness“, ver.di publik 5_2023

Ich habe mich sehr gefreut, dass der südafrikanische YouTube-Künstler David Scott aka "The Kiffness" vorgestellt wurde. Sehr schade fand ich allerdings, dass kein Wort über sein Engagement für faire Bezahlung von Künstlern gefallen ist. Das berührendste Beispiel ist vermutlich seine Bemühung, Rushwan ausfindig zu machen, um ihn am Erlös dieses Internet-Hits teilhaben zu lassen. Aber auch sonst macht er sich stark für die Bezahlung von Künstlern, auch wenn ihr primäres Medium das Internet ist.

Andrea Hoffmann, per E-Mail