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Zum Arbeiten ins Ausland gehen, vielleicht dorthin, wo es immer warm ist, oder mit der Greencard ins Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten, in die USA – den Traum von einem anderen Arbeitsleben haben viele. Vor allem viele junge Menschen, die es heute schon in der Schulzeit erleben, dass sich ein Schuljahr auch in England, Honduras, Südafrika oder sonst wo in der Welt bestehen lässt. Auch das sogenannte Work & Travel, arbeiten und nebenbei die Welt bereisen ist seit Jahren unter jungen Leuten weit verbreitet. Aber auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, die wir gerade zwar nicht haben, drängt es immer wieder Menschen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz ins Ausland.

Insgesamt 6,6 Millionen Bürger*innen der Europäischen Union, die innerhalb der EU-Grenzen in einem Land ihrer Wahl eine Arbeit aufnehmen können, taten dies 2021. Deutschland als Zielland ist innerhalb der EU der Spitzenreiter. Im Jahr 2021 waren 2,5 Millionen EU-Bürger*innen ohne deutschen Pass in Deutschland erwerbstätig. Doch auch hunderttausende Deutsche wandern der Arbeit wegen aus. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben jedes Jahr durchschnittlich 180.000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit Deutschland verlassen. Rund zwei Millionen Deutsche arbeiten aktuell im Ausland, ein Großteil von ihnen in den USA, England und in der Schweiz, gefolgt von Österreich, so laut Daten des Statistischen Bundesamtes und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.

Durchschnittsalter knapp 37 Jahre

Und auch unter ihnen sind es eher Jüngere, die den Schritt ins Ausland wagen. Im Durchschnitt sind die Auswander*innen 36,6 Jahre alt, 76 Prozent von ihnen sind zudem hochqualifiziert. Meist verdienen sie im Ausland deutlich mehr als in Deutschland, weshalb die Aussicht auf eine bessere Karriere oft das Hauptmotiv für den Umzug ins Ausland ist. International gilt Deutschland mit rund 1,2 Millionen Hochqualifizierten als das fünftwichtigste Herkunftsland für besonders gut ausgebildete Fachkräfte. Indien mit 2,2 Millionen Hochqualifizierten führt die Tabelle an gefolgt von den Philippinen, China und Großbritannien.

Rabea Malchow – aktuell freigestellte Personalrätin bei der Bundesagentur für Arbeit – hat jahrelang in der ZAV, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung, in Bonn Fachkräfte beraten. Während einer Hochzeit zwischen 2005 bis 2010, in der die Erwerbslosigkeit in Deutschland sehr hoch gewesen ist, haben sie und ihre Kolleg*innen bundesweit in rund einem Dutzend Teams Menschen informiert und beraten. Bis heute sind es junge Menschen, die meist zwischen Ausbildung oder Studium und der ersten Anstellung erwerbslos und noch auf Arbeitssuche sind. Oft gehen sie nur für eine Weile ins Ausland, um dort zu arbeiten. Ihre Erfahrungen, die sie dort sammeln, wirken sich anschließend positiv aus, wenn sie – zurück in Deutschland – eine Arbeitsstelle suchen.

Mittlerweile hat die ZAV große Konkurrenz bekommen von Social-Media-Plattformen wie Xing und LinkedIn und privaten Agenturen, die sich ihre Beratung und Vermittlung allerdings oft fürstlich bezahlen lassen und überwiegend weniger gut bezahlte Jobs in der Tourismusbranche im Angebot haben. Doch nicht wegen der vermeintlichen Konkurrenz wurde die Beratung in der ZAV inzwischen heruntergefahren, sondern vielmehr wegen des anhaltenden Fachkräftemangels. Heute werden Fachkräfte in Deutschland in fast allen Branchen gesucht und die Bundesagentur versucht daher vermehrt aus dem Ausland entsprechend Fachkräfte anzuwerben.

Dreh- und Angelpunkt soziale Absicherung

Der Beratungsbedarf ist in allen Fällen hoch, auch für Deutsche, die nach ein paar Arbeitsjahren im Ausland zurückkehren wollen. Dreh- und Angelpunkt in der ZAV-Beratung ist stets die soziale Absicherung. Auf EU-Ebene ist das mit dem Europäischen Sozialversicherungsabkommen geregelt, doch mit vielen anderen Ländern eben nicht. Allein die Gesundheitsversorgung kann in Ländern wie den USA, wo nicht einmal die Einheimischen grundsätzlich kranken-versichert sind, im Falle einer schweren Erkrankung zum Fallstrick werden. "Auch das Alter, die Anzahl der Kinder und ein gewisses Startkapital sind wichtige Punkte", sagt Malchow. Ein Umzug ins Ausland bringt einige Kosten mit sich. Viele hätten auch unrealistische Vorstellungen von dem Land, in das sie gehen wollen. "Man ist immer auch ein bisschen Sozialarbeiter."

Oder: Viele Auswanderungswillige glauben zum Beispiel, allein mit Englisch könnten sie überall arbeiten. Dabei ist "die Sprache immer das Thema Nummer 1", sagt Malchow. Nicht zuletzt deshalb sind auch die Schweiz und Österreich so beliebt bei den Deutschen. Dort wird ihre Sprache gesprochen, aber auch die Lohn- und Arbeitsbedingungen sind in den Nachbarstaaten gut. Auf EU-Ebene innerhalb des EURES-Netzwerkes (siehe Seite E3) würde zudem immer abgeglichen werden, wo welche Fachkräfte gebraucht werden. Ganz wichtig sei den Berater*innen in der ZAV, von Anfang an auch die Option der Rückkehr zu bedenken. Nichts ist schlimmer, als im Ausland zu scheitern und anschließend in Deutschland vor dem Nichts zu stehen.

Kaum etwas ist derzeit aber beliebter, als von irgendwo in der Welt aus remote zu arbeiten. Mit dem Laptop irgendwo im Süden am Strand zu sitzen und zu arbeiten. Abgesichert sind diese sogenannten digitalen Nomaden meist in keiner Weise. Malchow nennt das die "freiwillige Aushöhlung sozialer Standards". Doch warum kommen diese jungen Leute nicht zu ihnen in die ZAV? "Das ,Arbeitsamt' hat leider nicht den hippsten Ruf", sagt Malchow. Immerhin: Diejenigen, die die ZAV berät, melden sich oft dankbar vom neuen Arbeitsplatz im Ausland – alles laufe rund dank der stimmigen und guten Beratung.

Mehr Infos zur ZAV unter zav.de