Das Dorf, in dem mein Schwiegervater in der Region Kiew lebt, fiel im letzten Jahr glücklicherweise nicht unter russische Besatzung. Die Lage war dennoch angespannt. Am 17. März 2022 schrieb er mir, dass er es mit dem Fahrrad ins Zentrum des Dorfes zum Postamt von "Ukrposhta" geschafft habe. "Es funktioniert, ich konnte 1.000 UAH (ukrainische Hyrwen) in bar abheben", fügte er glücklich hinzu. Trotz logistischer Schwierigkeiten und der Gefahren war die Post im Dorf geöffnet, so dass wir ihm später ein Paket schicken konnten. Für Millionen von Ukrainern sind die staatliche Postgesellschaft Ukrposhta und das private Unternehmen "Nova Poshta" Lebensadern, die ihnen helfen, in den Zeiten des Krieges zu überleben.

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Olha VorozhbytFoto: privat

Gleichzeitig sind die Mitarbeiter täglich Gefahren ausgesetzt. Am 21. Oktober 2023 bombardierte die russische Armee das "Nova Poshta"-Terminal im Dorf Korotych bei Charkiw. Bei dem Angriff wurden sechs Mitarbeiter getötet und 17 verletzt. Trotz aller Schrecken des Krieges ist dieser Angriff für alle, die ich kenne, sehr schmerzlich. Es ist nicht das erste Mal, dass Mitarbeiter dieser Unternehmen bei russischen Angriffen getötet wurden. Im März 2022 tötete das russische Militär in der Region Saporischschja zwei Postboten. Die Angestellten waren dabei, Renten an Dorfbewohner zu verteilen, als ihnen ein russischer Panzer entgegenfuhr und sie erschoss.

Postbotin für alles

Renten, Sozialleistungen, Rechnungen — in den Dörfern sind die Postboten für all das zuständig. Für ältere Menschen in ablegenen Dörfern übernimmt der Postbote auch die Rolle eines Sozialarbeiters. Während des Krieges sind seine Aufgaben und Gefahren um ein Vielfaches größer. Als die Russen eines der Ukrposhta-Büros bei Sumy zerstörten, verlegte die Leiterin des Büros dieses in ihr Haus. Ruslana Medved und Viktorija Tschernenko, Briefträgerinnen aus Trostianets, 70 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, stellten in den ersten Kriegsmonaten in kugelsicheren Westen Renten und Rechnungen zu.

Heute versucht Ukrposhta, sich zu reformieren. Anstelle der Briefträger, die oft auf Fahrrädern zustellen und oft extrem niedrige Löhne erhalten (сa. 140 €), werden mobile Büros in Autos eingerichtet. Infolgedessen verlieren Postboten ihren Arbeitsplatz, obwohl einigen von ihnen eine Beschäftigung in den mobilen Büros zugesagt wurde. Die Kunden beschweren sich am meisten über diese Veränderung: In Bergdörfern mit schlechten Straßen und schwieriger Erreichbarkeit mit dem Auto waren es oft die Postboten (oft Frauen), die Renten, die Zeitungen oder Rechnungen zustellten. Gleichzeitig ist der Versuch des Unternehmens, die Arbeitsbelastung zu optimieren und so die Gehälter der Mitarbeiter zu erhöhen, sinnvoll. Wichtig bleibt dennoch, dass der Mensch im Mittelpunkt steht.

Olha Vorozhbyt ist stellvertretende Chef-Redakteurin des Nachrichtenmagazins Ukrajinskyi Tyschden. Seit der Ausgabe 03_2022 schreibt sie für uns ein Update aus der Arbeitswelt in der Ukraine.