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Heinrich Jung ist ein Überzeugungstäter. Seit 40 Jahren repariert der Elektromeister aus Ingelheim Waschmaschinen und Kühlschränke, weil er will, dass die Geräte möglichst lange genutzt werden. "Ich bin Umwelthandwerker. Das ist mein Beitrag zum Ressourcenschutz," erklärt der hagere Mann mit der Drahtbrille gut gelaunt. Er hat nicht nur das gratis aus dem Internet herunterzuladende Handbuch "Waschmaschinendoktor" geschrieben, so dass praktisch veranlagte Menschen selbst Hand anlegen können. Jeden Morgen von acht bis zehn sitzt der Chef von "Blitzblume" am Telefon, lässt sich die Symptome nicht mehr funktionierender Gerätschaften schildern und gibt kostenlos fachmännische Tipps.

Auch wenn er es nicht wissenschaftlich nachweisen kann, so weiß er aus Erfahrung, dass die Qualität der Haushaltsgeräte mit den Jahren abgenommen hat. "Totalschäden werden immer jünger", berichtet er. Außerdem belegen seine Statistiken, dass bestimmte Teile heute schneller kaputt gehen als in seinen ersten Berufsjahren. Dem will er auf politischer Ebene etwas entgegensetzen und sitzt deshalb im Vorstand beim "Runden Tisch Reparatur".

Gegen wachsende Schrottberge

Daran beteiligen sich etwa 35 Organisationen – von der Verbraucherzentrale über Naturschutzverbände bis zum Netzwerk Reparaturinitiativen. Sie alle fordern effektive Maßnahmen gegen die wachsenden Schrottberge. "Ersatzteile sind heute absurd teuer. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich das ändert. Außerdem brauchen wir umfassende Informationen über die Produkte und einen fairen Wettbewerb bei Reparaturdienstleistungen", zählt die Koordinatorin des Runden Tischs, Katrin Meyer, auf.

Vordringlich ist auch ein reparaturfreundliches Design. Tatsächlich haben viele Hersteller Schrauben durch Kleber ersetzt oder Komponenten so fest eingebaut, dass sie sich nicht demontieren lassen. Schließlich wollen sie, dass die Leute möglichst bald etwas Neues kaufen – denn das ist ihr Geschäft. "Um Ressourcen zu schonen, brauchen wir vor allem Produkte, die auf Dauerhaftigkeit ausgelegt sind", sagt Stefan Schridde, der die Plattform "Murks nein Danke" gegründet und hunderte von Beispielen gesammelt hat für geplante Obsoleszenz – also eine absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von Produkten.

Da bauen Hersteller von Haushaltsmixern oder Akkuschraubern oft Zahnräder aus Kunststoff ein statt aus Metall, wodurch die schneller ausfransen. Bei Computern und Smartphones erfordern eine immer aufwändigere Software und mangelnde Updates oft einen Austausch des Geräts, das an sich noch völlig in Ordnung ist. Hinzu kommt die Werbung für angeblich verbesserte Produkte mit neuen Funktionen. "Damit sich was ändert, muss auch der Handel in die Pflicht genommen werden – der bestellt schließlich die Produkte", verlangt Schridde.

"Recht auf Reparatur"

Die Materialverschwendung hat inzwischen auch die Gesetzgeber auf den Plan gerufen hat. Die EU-Kommission hat im Frühjahr ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das der Kundschaft ein "Recht auf Reparatur" zugestehen will. Doch es soll Ausnahmen geben für Fälle, wo das unmöglich ist. Wer aber entscheidet das – und könnte ein Hersteller es nicht gerade darauf anlegen, seine Geräte entsprechend zu konstruieren?

Vorschriften zum Produktdesign fehlen leider weiterhin. Ebenso mangelt es an Maßnahmen gegen Mondpreise für Ersatzteile. "Der Vorschlag ist sehr enttäuschend", konstatiert Meyer vom Runden Tisch Reparatur. Zurzeit setzen sich EU-Parlament und EU-Rat mit den Plänen auseinander. Bis Ende Februar 2024 müssen sie sich einig werden, sonst ist die Novelle gescheitert, weil das Parlament kurz danach neu gewählt wird. Dabei wünschen sich viele Menschen deutliche Fortschritte. "Oft geht es den Leuten, die mich anrufen, vor allem um mehr Nachhaltigkeit und nicht so sehr ums Sparen", berichtet Elektromeister Jung.

1.500 selbstorganisierte und von Ehrenamtlichen betriebene Repair-Cafés sind in den vergangenen Jahren entstanden. Doch es braucht auch professionelle Strukturen und spezialisierte Betriebe. "Leider verhindern oft miese Tricks, dass unabhängige Werkstätten die Geräte reparieren können", sagt Julius Neu von Inkota. Der gemeinnützige Verein, der auch beim "Runden Tisch Reparatur" dabei ist, hat gerade Unterschriften für das Recht auf herstellerunabhängige Reparatur gesammelt. Das Wörtchen "herstellerunabhängig" ist dabei entscheidend. In Frankreich ermittelt die Staatsanwaltschaft gerade gegen Apple: Der Konzern soll Ersatzteile mit Seriennummern versehen haben, um Funktionen einzuschränken, wenn ein nicht lizensierter Betrieb das Gerät wieder flott gemacht hat.

Am 17. Oktober hat Inkota 71.277 Unterschriften an Bundesumweltministerin Steffi Lemke übergeben. Neben dem Recht auf herstellerunabhängige Reparatur ging es dabei auch um einen bundesweiten Reparaturbonus. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Bonusprogramm aufzulegen, wie es in Österreich und Thüringen bereits existiert. Wer dort ein Gerät reparieren lässt, bekommt bis zu 200 erstattet. Das Ganze funktioniert ohne viel Bürokratie und wird über die Verbraucherzentrale abgewickelt.

Die Reparaturbranche in der EU beschäftigte 2020 339.000 Menschen in 187.000 Dienstleistungsunternehmen und setzte 21,5 Milliarden Euro um.
Quelle: Eurostat (Daten gerundet)