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Pro Gewerkschaft: Trader-Joe’s-Beschäftigte in New YorkFoto: Laura Brett/Zuma Press/picture alliance

Vor gut einem Jahr verschwand einer von New Yorks größten, gut sortierten und gut besuchten Weinläden, nahe dem Biomarkt auf dem Union Square – urplötzlich, ohne Ankündigung. Warum? Wurde wirklich eine „bessere ­Location“ gesucht, wie der Betreiber Trader Joe’s erklärte, die Supermarktkette aus Kalifornien, die dem deutschen Einzelhandelsriesen Aldi gehört?

Weit gefehlt. „Die Belegschaft wollte sich gewerkschaftlich organisieren“, erzählt Maeg Yosef. „Als die Geschäftsleitung Wind davon bekommen hat, wurde der Laden einfach dichtgemacht. Die Angestellten standen morgens vor verschlossenen Türen.“ Und die Kunden auch. Yosef arbeitet bei Trader Joe’s in Hadley, Massachusetts, der erste Laden, der sich tatsächlich organisiert hat, aber nicht der einzige.

6 von 550

Sechs Trader Joe’s hätten sich bislang per Urabstimmung organisiert, von 550 Läden insgesamt, sagt Yosef. Das ist zwar nur der erste Schritt – der zweite wäre eine unterschriebene Vereinbarung mit dem Management. Aber die Forderungen liegen auf dem Tisch. „Der Job ist gesundheitlich belastend“, sagt Yosef. „Wir müssen den ganzen Tag an der Kasse schwere Waren, Kisten heben, davon bekommen viele Kollegen Rückenschmerzen.“

Überdies verlangen die Trader Joe’s-Angestellten bessere Bezahlung und eine bessere soziale Absicherung. „Früher waren wir über Trader Joe’s krankenversichert, solange wir mindestens drei Tage die Woche gearbeitet haben, jetzt müssen es 30 Stunden pro Woche sein“, sagt Yosef. Auch ein stabiler Zuschuss zur ­Altersversicherung sei wichtig. „Im Moment zahlen die zwar etwas, aber das wird jedes Jahr neu ausgehandelt.“ 

Nicht nur bei Trader Joe’s, auch bei Starbucks und Barnes&Noble brodelt es. Und was die drei Ketten auch vereint: ihr mehr oder weniger fortschrittliches Image. Trader Joe’s verkauft Bioware und Wir-Gefühl, Starbucks brachte mit Cappuccino und Espresso Kaffeekultur nach Amerika und setzt inzwischen auf Nachhaltigkeit, und Barnes & Noble ist die letzte Bastion des stationären Buchhandels gegen Amazon.

Mit Ausbeuterei will keine der Firmen in Verbindung gebracht werden. Des­wegen tritt das Management von Trader Joe’s auch nicht offen gegen Gewerkschaften an, sondern versteckt. „Zu den Verhandlungen ist bisher niemand vom Management gekommen, die haben nur Anwälte geschickt, die gar nicht wissen, wie der Laden organisiert ist“, sagt Yosef. „Und die wollten keine Zugeständnisse machen.“

4 von 600

Der vierstöckige Laden von Barnes & Noble am Union Square ist der Flagship ­Store der größten Buchkette Amerikas, zu der knapp 600 Läden im ganzen Land gehören. Am Tag vor Thanksgiving demonstrieren pro-palästinensische Studierende mit Flaggen und Transparenten vor den Türen. Drinnen ist es ruhig. Seit Juni dieses Jahres, bestätigt die Ver­käuferin am Infodesk stolz, ist der Laden gewerkschaftlich organisiert; ein Durchbruch, sagt Chelsea Connor, die Sprecherin der Einzel- und Großhandels­gewerkschaft RWDSU. Es folgte der ebenfalls stattliche Laden in Park Slope, Brooklyn.

Anders als bei Trader Joe’s, wo sich die Angestellten für eine eigene Organisation entschieden haben, haben sich die Buchverkäufer bei Barnes & Noble alteingesessenen Gewerkschaften wie der RWDSU angeschlossen. Aber auch hier geht es nur Laden für Laden vorwärts. Erst im November hat die Filiale in San Jose, Kalifornien, dafür gestimmt, sich der United Food & Commercial Workers Union anzuschließen – nicht nur die Buchverkäufer, sondern auch die Baristas in den ladeneigenen Cafés –, gefolgt vom Barnes&Noble in Bloomington, Illinois. Auch hier war das Management dagegen, „aber nicht mehr als überall anders auch“, sagt Connor. 

Kurz nach Halloween protestieren die Baristas vor dem Starbucks am Astor ­Place: Sie drehen Runden mit Plakaten: „No Contract, No Coffee“. Die Geschäftsleitung wollte mit dem „Red Cup Day“ mehr Kunden anlocken. Dafür aber, klagt Edwin Palmasolis, einer der streikenden Kaffeemacher, gebe es nicht genug ­Personal. Es ist nicht die einzige Beschwerde: Baristas haben unregelmäßige Arbeitszeiten und machen viele Überstunden. Es komme sogar vor, dass sie sexuell belästigt oder rassistisch beleidigt würden, hieß es von der Gewerkschaft Starbucks Workers United.

300 von 16.000

Auch bei Starbucks begann der Run auf die Gewerkschaft vor knapp zwei Jahren mit einem Laden in Buffalo, im Nordwesten des Staates New York. Kein Zufall: Nach dem Ende der Corona-Pandemie setzte eine Teuerungswelle ein, sodass selbst Angestellte, die – wie bei Starbucks oder Trader Joe’s – deutlich über dem Mindestlohn verdienten, ihre Miete nicht mehr zahlen konnten. Ähnliches geschieht derzeit bei allen Handelsketten, von Apple bis Amazon. Nach einer Umfrage des National Labor Relations Board würden sich heute mehr als 70 Prozent der unorganisierten Angestellten einer Gewerkschaft anschließen, die höchsten Werte seit fast 60 Jahren.

Nur: Gerade Starbucks übe sich im sogenannten „Union Busting“, klagt Starbucks Workers United. Die Kette, die rund 16.000 Läden allein in Amerika hat, soll 200 Angestellte entlassen haben, weil sie in die Gewerkschaft eingetreten sind, berichtet die Betriebsgewerkschaft. Eigentlich illegal, aber es werden Vorwände gefunden.

„Ohne diese brutale Kampagne wären wohl schon 3.000 Starbucks-Cafés ­organisiert, nicht erst 300“, sagt John Logan, Professor für Arbeitsrecht in San Francisco. Der Gesetzgeber kann gegen Union Busting keine Strafen verhängen, die Arbeitsgerichte kommen bei Klagen nicht hinterher. Starbucks-CEO Howard Schultz streitet zwar alle Vorwürfe ab, aber bislang hat das Management noch keinem Vertrag mit der Gewerkschaft zugestimmt.

Auch bei Trader Joe’s wurde noch keine Betriebsvereinbarung geschlossen. Gibt es denn eine Zusammenarbeit mit Gewerkschaften in Deutschland, wo die Muttergesellschaft Aldi herkommt? „Nein, aber wir haben gehört, da gibt es eine große Organisation namens ver.di“, sagt Yosef. „Das finden wir sehr interessant.“