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Info-Veranstaltung des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrechtver.di

Der ver.di-Bundesfachgruppenvorstand Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit fordert schon lange die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialen Arbeit. Diese Forderung wird angesichts des jüngsten Angriffs auf die Verschwiegenheit und Vertraulichkeit der Sozialarbeiter*innen, die täglich mit sensiblen Informationen umgehen, immer dringlicher. Ein aktueller Fall von Mitarbeitenden des Karlsruher Fanprojekts, die mit Beugehaft konfrontiert sind, ­verdeutlicht die Dringlichkeit dieses ­Schrittes (zeugnis-verweigern.de). Das Karlsruher Fanprojekt ist eine Einrichtung für aufsuchende Arbeit im Bereich Fußball und erfüllt eine wichtige Rolle in der örtlichen Jugendarbeit, der Jugendverbandsarbeit und der Jugendsozialarbeit.

Die Tatsache, dass Beschäftigte der Sozialen Arbeit aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit Beugehaft bedroht sind, gefährdet die professionelle Unterstützung junger Menschen. Die Soziale Arbeit, insbesondere die mobile Jugendarbeit und die Straßensozialarbeit (Streetwork) erfordern den täglichen Umgang mit ­vertraulichen Informationen, die die ­Privatsphäre und persönliche Entwicklung junger Menschen betreffen. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen und andere Beschäftigte in der Sozialen Arbeit ist unerlässlich, um eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Adressat*innen aufzubauen und zu pflegen.

Bis zu ein Jahr Haft

Das Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit kämpft seit Jahren dafür, die gesetzlichen Grundlagen für ein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht in dieser Branche zu schaffen. Aktuell sieht das Gesetz im §203 des Strafgesetzbuchs bereits eine Schweigepflicht für staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen vor, deren Verletzung mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden kann. Jedoch haben sie im Gegensatz zu Psychotherapeut*innen, Ärzten, Apotheker*innen, Hebammen, Geistlichen un anderen gemäß § 53 Strafprozessordnung nicht das Recht, eine Aussage gegen ihre Adressat*innen zu verweigern.

Damit fehlt die rechtliche Voraussetzung für das notwenige konstruktive Arbeitsbündnis als Basis für die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Sozialarbeite- r*innen und anderen Berufsgruppen der Sozialen Arbeit und ihren Adressat*innen. Beschäftigten der Sozialen Arbeit, die eine Aussage verweigern und die ihnen anvertrauten Geheimnisse oder Informationen nicht preisgeben wollen, drohen Bußgeld oder Beugehaft. Das ist inakzeptabel und beeinträchtigt professionelles Handeln und die Qualität der Arbeit. Die psychische Belastung und Unsicherheit wegen möglicher rechtlicher Konsequenzen schrecken potenzielle Fachkräfte ab und verschärfen den bereits existierenden Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit.

Rechtlichen Missstand klären

Daher ruft ver.di die politischen Entscheidungsträger*innen dazu auf, unverzüglich die notwendigen Schritte einzuleiten, um das Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit gesetzlich zu verankern. ver.di unterstützt die Forderungen des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit uneingeschränkt und tritt für die Rechte und den Schutz der Beschäftigten in der Sozialen Arbeit ein.

Die gesetzliche Verankerung dieses Rechts ist nicht nur die Basis für das konstruktive Arbeitsbündnis und den Schutz für die Beschäftigten, sondern ein entscheidender Schritt zur Steigerung der Attraktivität dieser Berufe. ver.di ruft die Entscheidungsträger*innen dazu auf, die Klärung dieser rechtlichen Missstände gezielt anzugehen, ein Zeugnisverweigerungsrecht für alle Beschäftigten der Sozialen Arbeit einzuführen und damit eine stabile Grundlage für professionelles Handeln in der Sozialen Arbeit zu schaffen.