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Das Ultimatum ist abgelaufen – die Beschäftigten sind streikbereitFoto: Daniel Behruzi

"Null Tage" steht auf den Schildern, die 800 Beschäftigte der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) am 16. August auf der Tribüne des örtlichen Arminia-Stadions in die Höhe halten. Ihre Botschaft an Klinikleitung und Landesregierung: Die Zeit ist abgelaufen, jetzt wird es ernst. 100 Tage hatten die Arbeitgeber Gelegenheit, in Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung einzusteigen. Doch sie spielten auf Zeit. Noch schlimmer: Statt endlich für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen, gingen sie juristisch gegen ihre Beschäftigten vor und erreichten vor dem Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen den ersten Warnstreikaufruf. Die Kolleg*innen lassen sich dadurch von ihrer Forderung nicht abbringen – im Gegenteil.

"Für uns tut der Arbeitgeber nichts und lässt sich Zeit, aber mit juristischen Schritten gegen uns ist er ganz schnell – das lässt tief blicken", kritisiert der Pflegepädagoge Thorsten Wurlitz, der sich in der ver.di-Tarifkommission engagiert. "Damit sind auch die letzten Reste von Vertrauen weg. Jetzt ist allen endgültig klar: Wir brauchen eine verbindliche und einklagbare Regelung." Mehrfach hat Niedersachsens Landesregierung stattdessen vorgeschlagen, Maßnahmen zur Entlastung in einer Dienstvereinbarung zu regeln. Für die Beschäftigten kommt das nun erst recht nicht in Frage.

An anderen Kliniken geht es doch auch

"Für eine Dienstvereinbarung stehen wir als Personalrat nicht zur Verfügung – schon deshalb, weil hier aus rechtlichen Gründen weniger geregelt werden könnte als in einem Tarifvertrag, wie mittlerweile selbst die Landesregierung zugibt", stellt der Personalratsvorsitzende Nils Hoffmann klar. "Bundesweit gibt es in den meisten Universitätskliniken solche Tarifverträge zur Entlastung des Personals. Es besteht kein nachvollziehbarer Grund, warum das an der MHH nicht möglich sein sollte."

Kurz nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts, den für den 21. bis 23. August geplanten Warnstreik zu untersagen, machten mehr als 700 Beschäftigte ihrem Unmut bei einer Demonstration durch die Hannoveraner Innenstadt lautstark Luft. "Die Beschäftigten der MHH sind stinksauer über das Vorgehen von Klinikleitung und Landesregierung", so die ver.di-Landesbezirksleiterin Andrea Wemheuer.

Die ver.di-Tarifkommission überarbeitete die Forderungen und legte sie dem Arbeitgeber noch einmal vor. Da dieser weiterhin keine Verhandlungsbereitschaft zeigt, wurden die MHH-Beschäftigten Mitte September (nach Redaktionsschluss) erneut zum Warnstreik aufgerufen.

"Die Ablenkungsmanöver und Einschüchterungsversuche werden uns nicht aufhalten", bekräftigt die Krankenpflegerin Katja Brockhausen. "Sie machen uns umso entschlossener, für mehr Personal und Entlastung zu streiten." Im Zuge der Tarifbewegung sind bereits fast 800 Beschäftigte ver.di beigetreten. "Es gibt auch Ängste, aber die Leute wollen loslegen und etwas tun für bessere Arbeitsbedingungen", erklärt Thorsten Wurlitz. Der gelernte Krankenpfleger sieht "eine historische Chance", Verbesserungen zu erreichen. Er erlebe zum ersten Mal, dass sich Pflegekräfte – gemeinsam mit allen Berufsgruppen – nicht nur um andere Menschen, sondern auch um sich selbst kümmern.

Konkret fordert die ver.di-Tarifkommission, personelle Mindestbesetzungen für alle Bereiche festzulegen. Wo die PPR 2.0, die von ver.di, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Deutschem Pflegerat entwickelte Personalbemessung für die Krankenhauspflege, gilt, soll diese schichtgenau und verbindlich festgeschrieben werden. Werden die Vorgaben drei Mal unterschritten oder entstehen anderweitig belastende Situationen, sollen die Betroffenen einen Belastungsausgleich in Form einer zusätzlichen freien Schicht erhalten. Das werde nicht nur den Beschäftigten, sondern auch den Patient*innen zugutekommen, ist Thorsten Wurlitz überzeugt: "Wenn es uns bei der Arbeit gut geht, wirkt sich das auch unmittelbar positiv auf die Patientinnen und Patienten aus. Mehr von uns ist eben besser für alle."