Slotan Astanovic (Name geändert) arbeitet seit fünf Jahren in einem Logistikzentrum in Baden-Württemberg. Immer wieder habe er daran gedacht, den Arbeitsplatz zu wechseln oder wenigstens bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen: "Im Sommer ist es in der Lagerhalle viel zu heiß, im Winter frieren wir dann, weil diese Gebäude für Waren, aber nicht für Menschen gebaut worden sind!" Er und die meisten Kolleg*innen fühlten sich von Vorgesetzten wie Gegenstände und nicht wie Menschen behandelt.

Diese Einschätzung taucht immer wieder in der Befragung von Beschäftigten der baden-württembergischen Branche Post-/Paketdienste, Speditionen, Logistik (PSL) nach dem DGB-Index Gute Arbeit auf. "Mehr als 1.000 Kolleg*innen aus diesem Bereich haben sich beteiligt. "Die Arbeitsqualität bleibt bei 61 Prozent der Teilnehmenden unter 50 Indexpunkten und fällt damit in den Bereich schlechte Arbeit", erläutert Beata Phangthong, Koordinatorin für diesen Bereich in der Fachgruppe PSL des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg. "Der Umgang der Vorgesetzten mit den Beschäftigten wird sehr oft als respektlos wahrgenommen." Sowohl die körperlichen als auch die psychischen Belastungen seien sehr hoch.

"Beispielweise scheitert es an so einfachen Dingen, wie dass den Beschäftigten in den Sommermonaten Trinkwasser kostenlos zur Verfügung gestellt wird", stellt sie fest. In der Teilbranche arbeiten viele ausländische Beschäftigte und Saisonkräfte. Die hätten oft wenige Informationen über ihre Arbeitnehmerrechte. Die Gute-Arbeit-Befragung sei schon deshalb hilfreich gewesen, weil vielen der Kolleginnen und Kollegen dabei klar geworden sei, dass sie selbst aktiv werden müssen, um etwas zu verbessern.

Phangthong berichtet auch über viele neue ver.di-Mitglieder. Und mehr noch: "Das Bewusstsein ist gewachsen, nicht machtlos zu sein. Es gibt in etlichen Unternehmen nun Pläne der Beschäftigten, Betriebsräte zu gründen." Genau deshalb sei es sehr gut gewesen, dass Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre in die Betriebe gegangen sind und die persönlichen Kontakte gesucht haben.

"Die Speditions- und Logistikbranche ist die, in der Beschäftigte am schlechtesten bezahlt werden und die Tarifbindung am geringsten ist", sagt Phang-thong. Auch deswegen sprechen in der Umfrage die Beschäftigten immer wieder über mangelnde Wertschätzung.

Bei insgesamt eher schlechten Bedingungen in der Branche zeigten sich im Detail aber kleine Unterschiede. So arbeiten die kaufmännischen Beschäftigten zumeist unter etwas weniger belastenden Umständen, leiden aber auch oft unter zu viel Lärm oder schlechten Arbeitsmitteln. Besser bezahlt werden die Belegschaften in den wenigen tarifgebundenen Betrieben. Starke Betriebsräte sind derzeit eher die Ausnahme. Gibt es sie, können sie beispielsweise Gefährdungsbeurteilungen durchsetzen, an deren Ende oft Verbesserungen stehen.

Mut geschöpft

"Obwohl auch im Logistiksektor Fachkräftemangel besteht, wie in so vielen Branchen, haben die Arbeitgeber immer noch nicht begriffen, dass sie etwas an ihrem Verhältnis zu ihren Beschäftigten verändern müssen", sagt Beata Phang-thong. Wichtig wären zudem technische Hilfsmittel, die die Menschen entlasten. Derzeit müssten immer weniger Beschäftigte immer mehr Arbeit bewältigen. So wie Slotan Astanovic, der aber auch zu denjenigen gehört, die durch die Befragung und den Kontakt zu ver.di Mut geschöpft haben: "Ich bin in die Gewerkschaft eingetreten und will mit anderen versuchen, einen Betriebsrat zu wählen. Wir sind viele, die gemeinsam die Bedingungen verbessern wollen!"

Verbesserungsbedarf besteht auch bei PSL in Bayern, wo Branchenbeschäftigte bereits zum zweiten Mal mit dem DGB-Index Gute Arbeit zur Qualität ihrer Arbeitsbedingungen wie auch zu ihren Wünschen bezüglich der anstehenden Tarifrunde befragt wurden. Die ebenfalls rund 1.000 Teilnehmer*innen kamen insgesamt zu keinem guten Urteil: 46 Index-Punkte gab es, was gleichbedeutend mit "schlechter Arbeit" ist und deutlich unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnittswert von 65 Punkten liegt. Besonders schlecht fiel die Bewertung mit nur 37 Punkten bei Fragen zum Thema Einkommen und Sicherheit aus. 61 Prozent aller Befragten schätzten die Bedingungen als "schlechte Arbeit" ein, während im Durchschnitt aller Branchen nur 19 Prozent der Beschäftigten zu diesem Urteil gelangen. Ein weiteres besorgniserregendes Ergebnis: Nur 29 Prozent der Befragten im Bereich PSL gaben an, unter den bestehenden Anforderungen die aktuelle Arbeit bis zum Rentenalter ohne Einschränkungen ausüben zu können. Besonders krass fiel die Bewertung im Sektor Brief- und Paketzustellung aus, wo lediglich 8 Prozent glauben, bis zur Rente so weiterarbeiten zu können, aber 81 Prozent davon ausgehen, dass sie vorher aufhören müssen.

Bei den Fragen zur Tarifrunde, die alle Branchenunternehmen außer der Deutschen Post/DHL betrifft, wurde mehrheitlich der Wunsch nach 150 Euro mehr pro Monat für alle angegeben. 91 Prozent aller Umfrage-Teilnehmer*innen bekannten sich zu der Aussage, dass Betriebstreue durch höheres Einkommen belohnt werden solle. Ebenfalls eine Mehrheit gab an, sich in der Tarifrunde engagieren zu wollen, etwa mit dem Aushängen oder Verteilen von Tarifinfos, der Teilnahme an betrieblichen oder gewerkschaftlichen Aktionen oder Streiks.

Broschüren mit allen Ergebnissen soll es 2025 geben. Die Umfrage-Ergebnisse aus Bayern gibt es schon jetzt hier: kurzlinks.de/jxfd