Bei der Süderelbe Logistik GmbH in Hamburg bekamen Frauen weniger Geld als Männer - bis sie vor Gericht mit Hilfe von ver.di und ihrem Betriebsrat ihr Recht auf gleiche Bezahlung einklagten

Heike Muleia (l.) und Margret Junik bekommen durch die Entscheidung mehr Geld

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist seit 1980 ein verbrieftes Recht in Europa - und jetzt auch die Realität bei der Süderelbe Logistik GmbH in Hamburg-Harburg. Das hat der Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann im Auftrag von Betriebsrat und ver.di für 32 Frauen vor dem Arbeitsgericht Hamburg erstritten.

Es ist das erste Mal seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006, dass ein Betriebsrat gegen Lohndiskriminierung geklagt hat. Bislang konnten nur die Betroffenen selbst vor Gericht ziehen, wenn sie sich am Arbeitsplatz wegen ihres Geschlechts diskriminiert fühlten. "Für viele Mitarbeiter ist eine Einzelklage eine große Hürde", sagt Gabi Weinrich-Borg, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di Hamburg. "Die Möglichkeit zur Kollektivklage ist ja gerade das Fortschrittliche an dem AGG." Zudem weitet das AGG den Diskriminierungsbegriff auf die Merkmale ethnische Herkunft, Religion, Behinderung, Alter und sexuelle Identität aus.

Gewerbliche Arbeit ist deutlich lukrativer

Die betroffenen Frauen erledigten bei Süderelbe Logistik die gleichen Lager-, Kommissionierungs- und Ver- packungsarbeiten wie ihre männlichen Kollegen. Neun weibliche Vollzeitkräfte wurden bislang nach dem Gehaltstarifvertrag für die kaufmännischen Arbeitnehmerinnen entlohnt, was ein Minus zwischen 270 und 335 Euro pro Monat ausmachte im Vergleich zu den männlichen Kollegen. Die sind in den deutlich lukrativeren Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer eingestuft. Diese diskriminierende Eingruppierung nach Geschlechtern wurde sofort bei der Güteverhandlung im Juli vom Arbeitsgericht kassiert.

Für 23 weitere Frauen dauerte es etwas länger, bis sie ihr Recht bekamen. Sie sind ungelernt, arbeiten in Teilzeit oder sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Mit diesen hahnebüchenen Gründen glaubte die Süderelbe Logistik die Frauen auch weiterhin schlechter entlohnen zu können. Inzwischen haben sich die streitenden Parteien außergerichtlich geeinigt - in allen Punkten zu Gunsten der unterbezahlten Frauen.

Betriebsräte sollten genau hinschauen

"Die Diskriminierung bei der Süderelbe Logistik war unüblich plump", sagt Rechtsanwalt Klaus Bertelsmann. Solche Fälle gebe es kaum noch. Aber in vielen Betrieben seien noch immer die Zulagen für Männer höher als die für Frauen. "Hier sollten die Betriebsräte genau hinschauen", rät der Arbeitsrechtler, der seit über 25 Jahren nur Arbeitnehmer vertritt, häufig Frauen in Gleichbehandlungsfragen.

Besonders schwierig sei strukturelle Diskriminierung nachzuweisen, etwa wenn ein Großbetrieb seine Personalstelle anweise, bei Bewerbungsverfahren Frauen unter 34 oder Behinderte nicht zu berücksichtigen. Wenn der Betriebsrat davon Wind bekommt, können dank des Paragrafen 17 AGG er selbst oder die Gewerkschaft eine Kollektivklage einreichen.

Die meisten Probleme sieht Bertelsmann in Zukunft bei der Altersdiskriminierung. Etwa wenn die Kündigungsfristen sich automatisch mit dem Lebensalter verlängern. "Mit welchem Recht ist ein 29-Jähriger mit zehn Jahren Betriebszugehörigkeit schneller kündbar als sein 31-jähriger Kollege, der erst seit zwei Jahren dabei ist?", fragt Bertelsmann.

Selbst im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sieht er eine Diskriminierungsfalle. Da steht - wie übrigens auch im Beamtengesetz und fast allen Tarifverträgen - dass die Leiterin der Antidiskriminierungsbehörde des Bundes mit Ende ihres 65. Lebensjahres das Amt aufgeben müsse. "Die Zwangspensionierung mit 65 ist nicht nur meiner Meinung nach rechtswidrig." Aus Spanien wird ein Urteil erwartet, das zur Klärung dieser grundsätzlichen Frage beitragen könnte.