Ausgabe 02/2025
Ausstellungen
Ruth Hallensleben

Diese Fotografin ist eine wirkliche Wiederentdeckung. Zu Lebzeiten als Industriefotografin bekannt, stechen in dieser Retrospektive ihres Werkes vor allem die Porträts von Frauen bei ihrer Arbeit hervor. Obwohl allesamt in Szene gesetzt, erfasst Ruth Hallensleben auf jedem Bild das Wesen der jeweiligen Arbeit, wie etwa bei der Arbeiterin an der Stanze oder bei der Kofferträgerin. Sie konnte mit den männlichen Kollegen in der Branche mehr als mithalten. In einem Selbstbildnis hat sie das souverän festgehalten: Mit einer Assistentin justiert sie Kamera und Stativ auf der Brücke über den Schienen eines Werksgeländes. Rechts ist auf einem Schild zu lesen: "Diese Brücke darf nur von einem Mann betreten werden." Ruth Hallensleben – in Kleid und Kittel – zeigt mit Witz, dass das für sie nicht gilt. Auch in anderen Motiven wie dem Schäferhund mit Picknickkorb in der Schnauze, aufgenommen aus der Froschperspektive, macht sie klar, wer das Sagen hat. Die Ausstellung von 120 ihrer Werke zeigt aber vor allem eins – eine außerordentliche Fotografin, die mehr als ihr Handwerk beherrschte.
Petra Welzel
RUHR MUSEUM, GELSENKIRCHENER STRASSE 181, ESSEN, MO-SO 10–18 UHR, BIS 24. AUGUST 2025
Von Odesa nach Berlin

Mit jedem Krieg gehen immer auch wertvolle Kulturschätze verloren. Damit das nicht auch mit den Kunstwerken des Museums für Westliche und Östliche Kunst in Odesa passiert, entschied sich die Museumsleitung schon bald nach den ersten russischen Angriffen auf die ukrainische Hafenstadt dazu, die komplette Sammlung samt den Kunstwerken im Depot in Kisten verpackt in ein Notlager zu bringen. Von dort sind nun 60 Werke der europäischen Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts in die Berliner Gemäldegalerie gekommen. Neben Werken der Berliner Sammlung sind sie im warmen Ausstellungslicht jetzt wieder öffentlich zu sehen. Neben wenigen Gemälden von Seeschlachten, die das Thema Krieg thematisieren, sticht vor allem eines der größten Bilder hervor. Es zeigt den Mord eines Kutschers an einem anderen Kutscher im gleißenden Licht der Mittelmeersonne. Das Bild fasziniert trotz der brutalen Szene in seiner realistischen Darstellung genauso wie die beiden spielenden Kinder vor einem Haus in der Sonne auf einem anderen Gemälde. Ein Baum, der nicht zu sehen ist, wirft seinen Schatten auf die idyllische Szene. Am Ende ist man froh um jedes Bild, das vorerst gerettet werden konnte.
Petra Welzel
GEMÄLDEGALERIE BERLIN, JOHANNA UND EDUARD ARNHOLD PLATZ, DI–SO 10–18 UHR, BIS 22. JUNI 2025
Melanie Loureiro: Die Verbundenheit der Kreaturen

Vielleicht bleiben eines Tages nur die Bilder der in Portugal und Deutschland aufgewachsenen Künstlerin von bestimmten Insekten übrig, von Krabbeltieren und Spinnen, mit und ohne Flügel. Genau genommen überdimensionierte, quietschbunte Gemälde von Ameisen, Käfern und Schmetterlingen, die sich an Obst oder Pflanzen zu schaffen machen. Melanie Loureiro nimmt in ihren Arbeiten Insekten im wahrsten Sinn des Wortes unter die Lupe, vergrößert sie enorm und setzt ihnen so – es lässt sich so forumulieren – ein Denkmal. Denn alle abgebildeten Insekten sind entweder schon ausgestorben oder vom Artensterben bedroht. In einer Installation in der Ausstellung hat die Künstlerin verschiedene Pflanzen in Kübeln miteinander arrangiert, die durch ein Deckenfenster Licht bekommen. Es ist der Ausschnitt eines natürlichen Lebensraums, den alle Insekten benötigen. Pflanzen und Insekten haben Künstler*innen schon seit jeher in ihren Bann gezogen. Doch haben sie in früheren Zeiten zunächst versucht, sie in Bildern überhaupt zu erfassen, geht es Loureiro heute mit ihren auffallenden Bildern vielmehr darum, ihr Verschwinden zu stoppen. Petra Welzel
KIT – KUNST IM TUNNEL DÜSSELDORF, MANNESMANNUFER 1B, DI–SO 11–18 UHR, BIS 9. JUNI 2025