Kanzler Friedrich Merz (CDU) will keine Vermögenssteuer – und behauptete im Sommerinterview der ARD sogar, dass das Grundgesetz sie nicht zulässt. Das ist definitiv falsch. Artikel 106 benennt die Vermögenssteuer ganz explizit als eine wichtige Einnahmequelle des Staates. Allerdings sprudelt daraus seit etwa 30 Jahren kein einziger Tropfen mehr. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht moniert, dass Immobilien gegenüber anderen Vermögenswerten bevorzugt wurden. Die Richter verlangten ein neues Gesetz bis Ende 1996 – doch die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl tat einfach gar nichts. Deshalb ist die Vermögenssteuer in Deutschland ausgesetzt.

184 Milliardäre

Seither tragen Superreiche nur noch wenig zum Staatshaushalt bei und die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich schreitet rasant voran. Zugleich ist der Staat permanent klamm. In der Folge wurde viel zu wenig in Infrastrukturen und wichtige Teile der Daseinsvorsorge investiert.

Wie viele Milliarden Leute wie der Lidl-Chef Dieter Schwarz oder die Böhringer-Familie inzwischen angesammelt haben, ist unklar: Die Finanzämter erheben seit 1997 keine Daten mehr dazu. Aktuelle Recherchen gehen davon aus, dass es in Deutschland inzwischen 184 Milliardäre gibt. Ihr Vermögen hat in den vergangenen drei Jahren um schätzungsweise 150 Milliarden Euro zugelegt – etwa so viel, wie Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) in den kommenden drei Jahren fehlen. Die Summe würde auch reichen, um die Bahnsanierung zu stemmen und die Schulen, Kitas und Krankenhäuser auf Vordermann zu bringen.

Zusammen besitzen die Milliardäre erheblich mehr als die gut 41 Millionen Menschen in Deutschland, die zur weniger betuchten Hälfte der Bevölkerung gehören. Nur jeder fünfte Superreiche hat sein Vermögen selbst erarbeitet. Die große Masse hat mehr oder weniger große Erbschaften gemacht. In kaum einem anderen Land nimmt die soziale Spaltung so rasant zu wie in Deutschland.

SPD, Grüne und Linke wollen die Vermögenssteuer wieder einführen. 35 Gewerkschaften, Sozialverbände und Nichtregierungsorganisationen haben ein Bündnis "Vermögen besteuern jetzt" gegründet. ver.di gehört dazu. Klar ist: Vermögenssteuern sind kein Sozialismus. In Ländern wie Spanien, Norwegen, der Schweiz, Frankreich, Belgien und Italien finanziert der Staat sich zu erheblichen Teilen daraus. Annette Jensen