Bunt gemischt und überzeugend

Betriebsräte brauchen Hartnäckigkeit und Selbstbewusstsein, überall natürlich, aber gerade im Einzelhandel. Beides haben die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung bei Kaufland im brandenburgischen Oranienburg unter Beweis gestellt: In den zurückliegenden vier Jahren haben sie eine Menge erreicht. Und sie wollen weitermachen. Alle sieben werden im Mai bei den Betriebsratswahlen wieder antreten.

"Wir sind als Team gut eingespielt und haben noch viel vor", sagt Betriebsratsmitglied Martin Liedtke. Er gehört zum Heer der Teilzeitbeschäftigten, die nicht nur bei Kaufland, sondern generell im Einzelhandel die Mehrheit stellen. "Bei uns gibt es rund 18 Prozent Vollzeitkräfte, der Rest arbeitet in Teilzeit mit unterschiedlicher Stundenzahl."

Da sich auch bei tariflicher Bezahlung mit beispielsweise 15 Arbeitsstunden wöchentlich nicht genug Geld zum Lebensunterhalt verdienen lässt, sind Kolleg/innen mitunter auf ergänzende ALG II-Leistungen angewiesen oder brauchen einen Zweit-, manche sogar einen Drittjob. Eine Aufgabe der Arbeitnehmervertretung sei es deshalb auch, "den Beschäftigten zu mehr Stunden zu verhelfen", sagt Martin Liedtke. Deshalb hat der Betriebsrat in der Vergangenheit mehrfach die Einstellung weiterer Teilzeitkräfte abgelehnt.

Ein Skandal, wenn man vom Lohn nicht leben kann

Und dieser Kurs ist erfolgreich: Statt wie früher 174 Kolleg/innen sind heute noch 154 bei Kaufland in Oranienburg beschäftigt - ohne dass jemand entlassen worden wäre, denn die Fluktuation ist hoch. Da es aber nicht weniger zu tun gibt, entfallen auf die Mitarbeiter/innen jetzt durchschnittlich mehr Arbeitsstunden.

Dieses Ergebnis, das auch durch den Gang vors Arbeitsgericht durchgesetzt wurde, reicht den Betriebsräten aber noch nicht. Martin Liedtke sagt dazu: "Das Problem des hohen Teilzeitanteils im Einzelhandel lässt sich nur politisch lösen. Ich könnte mir eine gesetzliche Vollzeitquote vorstellen. Schließlich ist es skandalös, wenn so viele Einzelhandelsbeschäftigte von ihrem Lohn nicht leben können."

Auch Studenten als Betriebsräte im Supermarkt

Liedtke studiert Theologie und finanziert sich sein Studium mit der Teilzeitstelle bei Kaufland. Ebenso wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Robert Repkow, der Zahnmedizin studiert. Die Vorsitzende Christina Roppiler ist jedoch eine "echte" Einzelhandelsbeschäftigte mit höherem Stundenkontingent, sodass der Betriebsrat auch die Mischung in der Belegschaft repräsentiert. Dabei standen am Anfang ihrer Arbeit große Hindernisse. Die Betriebsratswahl 2010 wurde wegen eines Formfehlers von Abteilungsleitern angefochten, mit Erfolg. Bei der Wiederholung der Wahl kamen dann auch drei eher arbeitgeberfreundliche Beschäftigte ins Gremium. "Die haben wir aber von ihrer wahren Aufgabe als Arbeitnehmervertreter überzeugen können", sagt Liedtke.

Alle Betriebsräte sind inzwischen Gewerkschaftsmitglieder und arbeiten für die Interessen der Kolleg/innen. So konnten sie eine Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeiten und Pausen abschließen, die 24 arbeitsfreie Samstage jährlich für jede/n vorsieht. Per Betriebsvereinbarung wurden auch Urlaubsplanung und Arbeitszeiterfassung geregelt. Während zuvor viele Beschäftigte unentgeltliche Überstunden leisteten, indem sie ihre tatsächliche Arbeitszeit nicht notierten, ist das heute kaum noch ein Thema.

Es bleibt aber noch genug zu tun, auch für den künftigen Betriebsrat. "Die immer noch hohe Teilzeitquote wird genauso weiter Thema sein wie die Arbeitsplatzgestaltung. Wir müssen Bedingungen schaffen, die es allen ermöglichen, ihren Job bis zur Rente auszuüben", sagt Liedtke. Ihm ist auch die längst überfällige Entgeltgleichheit zwischen Ost und West wichtig. Dafür haben er und seine Kolleg/innen in der vorigen Tarifrunde gestreikt. "Das Ergebnis war dann für uns enttäuschend", sagt er. Aus seiner Sicht habe ver.di "zu schnell den Abschluss gesucht". Doch auch solche Erfahrungen sind für die Kaufland-Betriebsräte in Oranienburg eher ein Ansporn. "Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir kämpfen. Und als Mitglieder wollen wir Einfluss auf unsere Gewerkschaft nehmen."


Betriebsratswahlen finden vom1. März bis 31. Mai 2014 statt.

Alles Wichtige über die Wahlen steht auf der ver.di-Website:Warum brauchen wir einen Betriebsrat?Wer wählt - und wer kandidiert? Wie läuft die Wahl ab?Informationen über Recht und Gesetz, Aufgaben und Praxis aufhttp://br-wahl.verdi.de


Frauen, auf in die Gremien!

Agnes Schreieder und Karin Schönewolf haben zur Betriebsratswahl 2014 eine besondere Broschüre herausgegeben: Interviews mit Frauen in Betriebs- und Personalräten und Mitarbeitervertretungen, die von Erfahrungen, Anstrengungen und Erfolgen erzählen. Die informativen Texte und sehr persönlichen Interviews sind von Martin Kempe, die Fotos von Marion M. Dittmer, Miriam Mauritz hat recherchiert.

Mitmachen. Mitbestimmen. Frauen verändern ihre Arbeitsweltwww.hamburg.verdi.de