Neue ver.di-Mitglieder und endlich auch ein Betriebsrat am Düsseldorfer Hauptbahnhof

Andreas Rech, ver.di Essen (links), Özay Tarim, ver.di Düsseldorf

Isolierte Einzelarbeitsplätze, Tag- und Nachtschichten, häufig mehrere Arbeitgeber an einem Objekt - in kaum einer anderen Branche sind die strukturellen Voraussetzungen für gewerkschaftliche Betriebsarbeit so schlecht wie im Wach- und Schließdienst. Daher sind im Durchschnitt auch nur weniger als zehn Prozent der Beschäftigten in diesem Bereich Gewerkschaftsmitglieder.

Aber deshalb die Hände in den Schoß legen? Akzeptieren, dass es nun mal so ist? Das ist keine Alternative für Özay Tarim und Andreas Rech. Die beiden ver.di-Sekretäre in Nordrhein-Westfalen haben schon an den Flughäfen in Köln und Düsseldorf gezeigt, dass schlechte Voraussetzungen kein Hinderungsgrund für erfolgreiche Arbeit sind (ver.di publik 6/2015). Ihr aktueller Wirkungsort ist der Düsseldorfer Hauptbahnhof.

Bis vor kurzem gab es dort noch keinerlei gewerkschaftliche Strukturen. Erschwerend kam hinzu, dass an diesem Bahnhof gleich mehrere Sicherheitsfirmen mit dem Objektschutz beauftragt sind. Einer der Auftraggeber ist das Düsseldorfer Nahverkehrsunternehmen Rheinbahn.

Ein Start voller Skepsis

Das erste Informationsgespräch mit drei Kollegen war für die ver.di-Sekretäre nicht sonderlich ermutigend. Die drei waren nicht gerade abweisend, aber doch skeptisch wegen ihrer vereinzelten Arbeitsweise. Die täglichen Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden belasten die Kollegen in ihrem beruflichen Alltag am meisten. Mangels eines Betriebsrates gab es bislang auch keine Instanz, die die Belange der Beschäftigten bei der Einsatzplanung wahrnehmen könnte. Auch die häufig geringe Wertschätzung durch die Vorgesetzten ist vielen der Beschäftigten eine tägliche Last.

Özay Tarim und Andreas Rech konnten den skeptischen Kollegen jedoch drei Punkte deutlich machen: Wir nehmen eure Probleme ernst. Eine Lösung ist möglich, wenn ihr euch organisiert. Und: ver.di ist an eurer Seite, wenn ihr es wollt.

Nun stand ver.di im Wort, und da die Beschäftigten eine Veränderung ihrer Situation wollten, war die Tür immerhin schon einen Spalt weit offen. Özay Tarim und Andreas Rech wussten aber auch: Jetzt müssen wir "liefern". Und es gibt keinen anderen Weg, als die Kollegen persönlich anzusprechen, offen und direkt, während der Arbeitszeit auf dem Bahnhof. "Natürlich haben wir uns Gedanken über den passenden Augenblick gemacht", sagt Özay Tarim. "Wir wollten ja nicht lästig werden - und auch kein unnötiges Aufsehen erregen."

Andreas Rech kennt die Branche aus eigener Erfahrung und hat es an den Flughäfen erlebt: "Wenn die Kollegen merken, dass wir wissen, wovon wir reden, sind sie aufgeschlossen."

Die Zwei von ver.di im Einsatz

Zum ersten Einsatz kam es am 26. Januar in der Bahnhofshalle und auf den Bahnsteigen des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. In ihrer Dienstkleidung waren die Beschäftigten der Sicherheitsfirmen leicht zu erkennen.

Die beiden ver.di-Männer sprachen jeden der Wachdienstleute einzeln an. Sie wollten "auch gleich aufs Ganze gehen und das Ziel direkt formulieren". Nämlich: Hier hilft nur ein Betriebsrat - und den wird es nur geben, "wenn ihr euch organisiert".

Was sich so niemand vorzustellen gewagt hätte, geschah. Der Einsatz dauerte 90 Minuten, nur so lang wie ein Fußballspiel ohne Halbzeit und ohne Verlängerung, und am Ende hatten 29 von 55 Kollegen nicht nur vage von ihrem Interesse geredet, sondern ihre Beitrittserklärung unterschrieben. Die erste Beschäftigtenversammlung konnte am 24. Februar stattfinden.

Ein historischer Tag

Von 55 Mitarbeitern waren 36 auf der Versammlung anwesend. Zwölf Kandidaten stellten sich zur Wahl zum fünfköpfigen Betriebsrat. Der Tag wurde von einem der Anwesenden schließlich sogar als "historisch" bezeichnet - und das hielt niemand für übertrieben, denn, so sagte der Kollege: "Seit 18 Jahren versuchen wir, hier einen Betriebsrat zu gründen. Heute haben wir es endlich geschafft." Und als wenn das nicht schon gut genug wäre, sind an jenem Tag noch weitere neun neue ver.di-Mitglieder hinzugekommen.

"Der Erfolg unserer beiden Kollegen beweist, dass es sehr wohl möglich ist, auch in dieser schwierigen Branche Fuß zu fassen", sagt Andrea Becker, die Leiterin des Fachbereichs Besondere Dienstleistungen bei ver.di NRW. Das erfordere allerdings einen konkreten Plan und die richtige Ansprache. Man müsse schon zu den Beschäftigten hingehen. "Von sich aus kommen sie nicht ins ver.di-Büro!"