Auf der Fachtagung von ver.di Hamburg

Der Personalmangel in Krankenhäusern gefährdet Patient/innen und Beschäftigte gleichermaßen. Damit sich daran etwas ändert, macht ver.di Druck mit Aktionen. Die Kernforderung ist die nach einer gesetzlichen Personalbemessung.

Anfang September hatte ver.di Hamburg eingeladen zur Fachtagung "Auf dem Weg zu einer gesetzlichen Personalbemessung". Auslöser waren die Schlussfolgerungen der Expert/innenkommision "Pflegepersonal im Krankenhaus", auf deren Grundlage der Bundestag Anfang Juni die gesetzlichen Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft beauftragte: Sie sollen sich bis Juni 2018 auf einen Vorschlag für Personaluntergrenzen verständigen, die 2019 in Kraft treten sollen. Ein Gutachten hatte zuvor den Zusammenhang zwischen Personalausstattung und Pflegequalität zweifelsfrei nachgewiesen.

ver.di wollte nun wissen, wie es konkret weitergehen soll, und eigene Forderungen einbringen. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, SPD, rechnete in ihrem Vortrag vor, dass eine Pflegekraft heute zwölf Prozent mehr Patient/innen zu versorgen hat als vor 15 Jahren. Aufgrund der gewachsenen Arbeitsbelastung steigen viele ausgebildete Kräfte aus dem Beruf aus. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass bessere Arbeitsbedingungen den Fachkräftemangel verringern würden.

Jonas Schreyögg von der Uni Hamburg hat den Zusammenhang von Pflegequalität und Personalbelastung untersucht. Er weist nach, dass die Gefahr von Behandlungsfehlern bei hoher Belastung des Personals wächst.

Obwohl nach Ansicht von ver.di in seiner Untersuchung einige relevante Faktoren wie (zu) schnelles Arbeiten, das Weglassen von Pausen und hohe Krankenstände nicht hinreichend berücksichtigt werden, empfiehlt auch Schreyögg eine konkrete Personaluntergrenze für pflegesensitive Bereiche. Allerdings, so auch Schreyögg, könnten dadurch Probleme wie zum Beispiel Druckgeschwüre lediglich verringert, aber nicht verhindert werden. Eine Aussage über die zu erwartende Auswirkung für die Belastungssituation in der Pflege wurde in dem Gutachten nicht getroffen.

Über diese Personalbelastung wusste Pastor Michael Brems von der Koordinierungsstelle für Krankenhausseelsorge der Nordkirche aus eigener Erfahrung viel zu berichten. Er berichtete von ungenutzten Pausenräumen, weil Pausen nicht mehr genommen werden, von Pflegekräften, die sich mit Kaffee, Nikotin, Tabletten und Alkohol arbeitsfähig halten oder die weinend zu den Seelsorger/innen kommen, und von solchen, die durch ihre Arbeitsbedingungen abstumpfen. Er erinnerte an den Beschluss des Ethikrates: "Ethischer Maßstab des Krankenhauses ist das Patientenwohl."

Mehr Personal muss also her. Darüber herrschte bei der Fachtagung Einigkeit. Doch ist damit das Problem gelöst? "Leider noch lange nicht", sagt Hilke Stein, ver.di-Landesfachbereichsleiterin für den Gesundheitsbereich. "Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem." Zwar bestreite heute niemand mehr, dass es einen Zusammenhang zwischen der Qualität der Pflege und der Personalausstattung gibt. Das habe ver.di erreicht.

"Aber wir müssen noch ein dickes Brett bohren", so die Gewerkschafterin weiter. Unklar sei weiterhin, wie die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte bei der Berechnung von Personaluntergrenzen berücksichtigt werden solle. "Das ist unsere Forderung: Die Belastung muss sinken. Und die neuen Stellen müssen ausreichend refinanziert werden. Unsere Versichertenbeiträge sollen beim Patienten ankommen und nicht für Neubauten oder Gewinne verwandt werden. Dazu gehört auch, dass Tariferhöhungen refinanziert werden", sagte Stein. ver.di werde als Gesundheitsgewerkschaft auch während der anstehenden Koalitionsverhandlungen und darüber hinaus mit inhaltlicher Kompetenz und kreativen Aktionen am Ball bleiben.