Mit der Mindestlohnkampagne bewegt ver.di die Gemüter. Statt schnell zu darüber zu entscheiden, hat die Koalition einen Arbeitskreis eingesetzt

ver.di und die Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten (NGG) haben einen Stein ins Rollen gebracht. Die Mindestlohninitiative rüttelt auf. Über Stundenlöhne von drei oder vier Euro, die in einigen Branchen in Deutschland gezahlt werden, empören sich sogar konservative Medien. Mehr als 116000 Menschen haben bereits für einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde unterschrieben. Sie zeigen, dass Lohndumping von einer breiten Mehrheit nicht mehr akzeptiert wird.

Nur die Bundesregierung konnte sich bislang zu keiner Entscheidung durchringen. Anfang März stellte Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) einen Vorschlag im Koalitionsausschuss vor. Sein Ziel ist es, branchenübliche tarifliche Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Das bedeutet, dass sie dann auch für diejenigen gelten, deren Arbeitgeber nicht tarifgebunden sind. In einem Zeitungsinterview erklärte der Minister anschließend, dass er in Kürze für zehn Branchen auf diese Art und Weise einen Mindestlohn festlegen will. Unter anderem nannte er Bewachungsdienste, Zeitarbeit und das Friseurgewerbe.

Auf dieser Basis hofft Müntefering auf einen Kompromiss mit den Koalitionspartnern CDU und CSU. In weiten Teilen der Union werden sowohl gesetzliche als auch tarifliche Mindestlöhne abgelehnt. Höchstens eine generelle Aussage, dass Löhne nicht mehr als 30 Prozent vom ortsüblichen Durchschnittslohn abweichen dürfe, wurde zugestanden.

Kombilohn hat nur bescheidene Effekte

Stattdessen favorisieren Unions-Politiker Kombilöhne. Das bedeutet, dass der Staat niedrige Bezahlung aufstockt. Auch Müntefering äußerte gewisse Sympathien für ein entsprechendes Modell der beiden Wissenschaftler Bofinger und Walwei (siehe ver.di publik 01_02_2007). Allerdings kommen zwei neue Studien zu dem Ergebnis, dass Kombilöhne nur bescheidene arbeitsmarktpolitische Effekte haben. Stattdessen belasten sie die öffentlichen Haushalte.

Der Koalitionsausschuss hat jetzt einen achtköpfigen Arbeitskreis eingesetzt. Gemeinsame Grundlage ist die Auffassung, dass in Deutschland keine sittenwidrigen Löhne gezahlt werden sollen.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer begrüßte, dass die Ausweitung der Entsenderichtlinie geprüft werden soll. Doch aus Sicht der Gewerkschaften kann das nur ein erster Schritt sein. In vielen Branchen bringt die Ausweitung nichts, weil es nicht einmal Flächentarifverträge gibt, die für allgemeinverbindlich erklärt werden können (zum Beispiel in der Fleischverarbeitung oder dem Gastgewerbe). Deswegen halten die Gewerkschaften einen brachenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro pro Stunden für unerlässlich.

Auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske und der Vorsitzende der NGG, Franz-Josef Möllenberg, kündigten an, in ihren Bemühungen um einen gesetzlichen Mindestlohn nicht nachzulassen. Anfang Mai geht bei der Mindest.Tour ein Infocontainer auf die Reise durch 50 Städte. Gezeigt wird eine Ausstellung, außerdem gibt es Informationen rund um das Thema.HLA

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