Ausgabe 03/2007
Muss ein Monopol denn Sünde sein?
Die Liberalisierung des Briefmarktes brachte miese Löhne und schlechte Arbeit
Das wollte sich die Ministerien doch einmal selbst anschauen. Heidemarie Wieczorek-Zeul stammt aus Südhessen, heute ist sie Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Anfang Februar besuchte sie die Niederlassung Brief in Wiesbaden. Dieses riesige Gebilde erstreckt sich von Nord- nach Südhessen, von Hadamar im Westerwald bis Erbach im Odenwald, von Lorch im Rheingau bis Eschborn im Taunus. 3300 Beschäftigte arbeiten dort.
Postlersorgen beeindrucken Wieczorek-Zeul
Was trieb die Hessin aus Berlin nun nach Wiesbaden? Ein bedrohtes "Monopol", denn die so genannte Exklusiv-Lizenz der Deutschen Post soll Ende 2007 auslaufen. Das heißt, dass die Briefzustellung für private Konkurrenz europaweit noch breiter geöffnet würde - aus heutiger Sicht mit fatalen Konsequenzen für die Qualität der postalischen Versorgung ebenso wie für die Arbeitsplätze. Zur Zeit gibt es bereits rund 950 private Anbieter für Briefdienstleistungen. Denn das ehemalige Monopol ist seit zehn Jahren gar keins mehr, sondern hat eine Exklusiv-Lizenz. Bei den privaten Dienstleistern geht es so zu, wie man das andernorts schon weiß: Die Stundenlöhne liegen deutlich unter Tarif, zum Teil sogar sehr weit unter dem Niveau von 7,50 Euro, die ver.di als gesetzlichen Mindestlohn verlangt. Da sind selbst Vollzeitbeschäftigte gezwungen, Hartz IV-Anträge zu stellen.
Aber Vollzeitarbeit ist bei den neuen Privaten nicht die Regel. Knapp zwei Drittel Minijobs gab es schon vor Jahren - bis heute sind es garantiert noch mehr geworden. Und Beschäftigung auf Zeit ist angesagt. Unsicherheit, Instabilität, schlechte Bezahlung - das sind die hervorstechenden Merkmale dieser Arbeit. Die gute alte Post, die gar nicht mehr die alte ist, hält - noch - dagegen mit überwiegend versicherungspflichtiger Beschäftigung. Aber auch hier gefährdet die Liberalisierung die sozialen Standards.
Sozialstandards gefährdet
So soll die Arbeitszeit auch bei den Postbeamten auf 41 Stunden in der Woche erhöht werden. Das hätte massive Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im Tarifbereich. Warnstreikdrohungen - auch aus Hessen - für den Januar haben dies zunächst gestoppt. Auch hier gilt jedoch: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nur bei der Post AG hat die Gewerkschaft ein gewichtiges Wort mitzureden. Bei den Privaten ist es völlig anders. Nur 3,5 Prozent der Betriebe haben Betriebsräte.
Ingeborg Schön, viele Jahre freigestellte Betriebsrätin in der Niederlassung, machte die Ministerin besonders auf die Situation der Frauen aufmerksam. Wo die Briefe sortiert werden, arbeiten sie zu 90 Prozent, viele sind Alleinerziehende, die auf die speziellen Schichten angewiesen sind. "Woanders kommen die so nicht unter", ist Ingeborg Schön überzeugt. Von den Informationen beeindruckt, sprach sich die Ministerin dafür aus, die Exklusiv-Lizenz zu verlängern. Ihr Wort ins Ohr der Regierungskoalition! REB