Eine neue Studie analysiert Arbeitsbedingungen zwischen Wirklichkeit und Anspruch im Handel

Hauptsache Arbeit, sagt das Arbeitsamt zum Mini-Jobber. Hauptsache Arbeit, sagen Unternehmer und Regierung. Alle sagen: Hauptsache Arbeit. Nur Berhard Schiederig nicht. Er sagt: Hauptsache gute Arbeit. Vom Landesleiter des hessischen Fachbereichs Handel überrascht das nicht. Die Beschäftigten im Handel sehen das auch so. Schiederig bezieht sich auf eine neue Studie im Auftrag von ver.di, die sich mit den Wünschen nach Arbeit und mit der rauen Wirklichkeit befasst.

Bei Händlern rangiert an oberster Stelle mit 90 Prozent der Wunsch nach einem festen, verlässlichen Einkommen, dicht gefolgt von den Kriterien "Sicherheit des Arbeitsplatzes" und "unbefristetes Arbeitsverhältnis". Zwei Momente findet Bernhard Schiederig bemerkenswert: Auch diejenigen, die noch keine Erfahrung mit Leiharbeit oder Befristung haben, wollen regulär arbeiten. Und: Obwohl es im Handel seit Jahren Provisionen und Leistungsanreize gibt - die Beschäftigten sehnen sich nicht danach.

Arbeit soll stolz machen

Gute Arbeit, sagt die erdrückende Mehrheit, soll sinnvoll sein und stolz machen, Spaß und Abwechslung dürfen nicht fehlen. Ebenso weit oben rangieren soziale Kriterien wie Kollegialität. Man will als Mensch zählen, auch bei den Vorgesetzten. Denen dürfte es ohnehin in den Ohren klingeln, wenn 70 bis 75 Prozent fordern: konstruktive Kritik, gute Arbeitsplanung, fachliche oder individuelle Unterstützung. Ebenfalls ganz oben: Gesundheitsschutz. Kein Firlefanz also, sondern einfach menschenwürdige Arbeit.

Alle diese Faktoren stellen Ressourcen dar, die zur Arbeit motivieren, die gemeinschaftliches Arbeiten und Leben fördern. Die Wirklichkeit bricht sich an diesen Wünschen. Gut die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten muss nach Abzug von Steuern und Abgaben mit 1300 Euro auskommen, zwei Drittel in Teilzeit fällt unter 800 Euro. Hinzu kommen starke Belastungen. So müssen 98 Prozent der Arbeitsplätze als "mehr oder minder problematisch" angesehen werden. Am häufigsten wird die Unsicherheit des Arbeitsplatzes genannt. Gesundheitlicher oder psychischer Stress, mangelnde Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten tun ein Übriges. Positives gilt es zu berichten, wenn die Sprache auf den sozialen und fachlichen Umgang im Arbeitsumfeld kommt. Offenbar unterstützt man sich gegenseitig. Und dort ist auch die Identifikation mit der Arbeit hoch.

Zusammenfassend urteilt die Studie: Von der schönen neuen Arbeitswelt, die den Menschen Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten im Arbeitsprozess bietet und nicht mehr "auf die Knochen" geht, ist noch wenig zu sehen.REB