Hartz-IV-Empfänger sollten nicht vorschnell alle Versicherungen kündigen. Eine Privathaftpflicht halten Experten für unverzichtbar

Fall für Haftpflicht: der Ball in Nachbars Scheibe.

Das Rund-um-sorglos-Paket gibt es für Dagmar R. nicht mehr. Die 31-Jährige bekommt Arbeitslosengeld II (ALG II). 345 Euro stehen ihr als Grundsicherung nach dem Hartz-IV-Gesetz monatlich zu. Von diesem Geld muss sie alles außer der Miete bezahlen: Essen, Kleidung, Waschzeug, Putzmittel, Telefon, Fahrkarten und alles, was im täglichen Leben so anfällt. Auch Versicherungen. Doch die sind schon lange nicht mehr drin. "Wovon soll ich die noch bezahlen?", fragt sie. Auch bei Dagmar R. ist alles auf der Strecke geblieben: zuerst die Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung, dann die Hausrat- und schließlich auch die private Haftpflichtversicherung.

20,70 Euro für die monatlichen Prämien

Eigentlich sollte es auch für Hartz-IV-Empfänger möglich sein, ein Minimum an privaten Versicherungen halten zu können. Sechs Prozent sieht die Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes für so genannte sonstige Waren- und Dienstleistungen vor, zu denen auch Versicherungen zählen. Für die Berechnung des monatlichen Bedarfs hat sich der Gesetzgeber auf die Zahlen der EVS gestützt. Für jemanden, der ALG II bekommt, heißt das, ihm müssten eigentlich 20,70 Euro monatlich übrig bleiben, mit denen er unter anderem seine Versicherungsprämien bezahlen könnte. Die Realität sieht anders aus: Die meisten Hartz-IV-Empfänger haben nicht einmal mehr eine Privathaftpflicht.

Michael Sittig, Sozialrechtsexperte der Stiftung Warentest, weiß dass Hartz-IV-Empfänger alle Versicherungen auf den Prüfstand stellen, doch gerade die private Haftpflicht hält er für unverzichtbar: "Sonst muss man unter Umständen lebenslang für einen Schaden aufkommen, auch wenn man längst aus Hartz IV wieder raus ist."

Autobesitzer müssten darüber hinaus auch die Kfz-Haftpflicht weiterlaufen lassen. Eine Unfallversicherung hält der Warentest-Experte dagegen eher für verzichtbar, und ob eine Hausratversicherung Sinn mache, hänge von den tatsächlichen Werten im Haushalt ab. Sittig empfiehlt, sich frühzeitig über die Kündigungsfristen von Policen zu informieren, die man nicht mehr bezahlen kann. "Das wird wohl meistens bei Berufsunfähigkeitsversicherungen der Fall sein, denn die sind sehr teuer."

Michael Sittig rät jedem Hartz-IV-Empfänger, eine Riester-Rente zum Mindestbeitrag von fünf Euro monatlich abzuschließen, um für das Alter vorzusorgen. "Die Riester-Rente ist zum einen Hartz-IV-sicher", erläutert er, "zum anderen kann sich damit jeder die staatlichen Zuschüsse sichern." Bestehende Lebensversicherungen sollte man ebenfalls nicht einfach kündigen. Stattdessen rät der Experte, das man sie, bevor man den Antrag auf ALG II stellt, durch eine Sonderklausel bis zu einem bestimmten Betrag Hartz-IV-sicher macht.

Peter Schwark, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, rät zu einer generellen Zurückhaltung, Policen zu kündigen. "Es ist wichtig, nicht ohne Beratung vorschnelle Entscheidungen zu treffen", sagt er. Dies gelte neben der Privathaftpflicht vor allem für die Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei Lebensversicherungen gebe es vorübergehende Beitragsfreistellungen, bei der Berufsunfähigkeit manchmal so genannte Anwartschaftsversicherungen, über die man zeitlich befristet gegen einen sehr geringen Beitrag versichert bleiben könne. "Wenn man die Versicherung einmal aufgibt, kommt man bei gesundheitlichen Verschlechterungen da nicht so leicht wieder rein", warnt Schwark.

Hartz-IV-Satz ist zu niedrig

Bernhard Jirku, Hartz-IV-Experte bei ver.di, hält weder eine Hausrat- noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung für einen ALG-II-Empfänger für bezahlbar. "Das eigentliche Problem liegt darin, dass der Hartz-IV-Satz von vornherein zu niedrig bemessen ist. Deshalb bleibt in Wirklichkeit nichts für Versicherungen übrig." Jirku hat festgestellt, dass sich bei ALG-II-Empfängern, auch was die Privathaftpflicht angeht, eher ein gewisser Fatalismus breitmacht, frei nach dem Motto "Bei mir ist ja ohnehin nichts mehr zu holen".